Funkspruch vom Titan: Fast wie zu Hause

Auf dem SaturnmMond herrschen Bedingungen wie auf der Erde kurz vor Entstehung des Lebens. „Huygens“-Mission der Europäischen Raumfahrtagentur ein „fantastischer Erfolg“. Vollständige Auswertung der Daten wird Jahre dauern

VON KENO VERSECK

Überwältigender Jubel, Freudentränen, stundenlanges Staunen – die Wissenschaft war glücklich, als am Freitagnachmittag die ersten Signale und Fotos der Titan-Landesonde „Huygens“ eintrafen. David Southwood, der Wissenschaftsdirektor der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, rief den versammelten Journalisten nach der gelungenen Landung auf dem Saturnmond sogar ein Freudengebet zu: „Ich danke den Göttern, und Sie sollten es auch tun, denn sie haben es gut mit uns gemeint!“

Die Euphorie ist berechtigt: Die „Huygens“-Mission zum Titan war der erste europäische Ausflug in den äußeren Bereich des Sonnensystems und eines der bisher heikelsten Landemanöver der Raumfahrtgeschichte, hatte es doch so gut wie keine exakten Anhaltspunkte über die Beschaffenheit des Saturnmondes und seiner Atmosphäre gegeben. Doch die Landung gelang nicht nur perfekt – die „Huygens“-Sonde überlebte den Aufprall auf dem Titan auch rund eine Stunde, wesentlich länger als erhofft. Nun kann sich die europäische Raumfahrt rühmen, den ersten großen Schritt auf einen der wenigen noch unbekannten Orte im Sonnensystem gemacht zu haben.

Die ersten Fotos von der Oberfläche des Titan wirken fast vertraut. Eine Aufnahme aus sechzehn Kilometern zeige „eindeutig eine Gebirgs- oder Hügellandschaft, durch die sich Abflusskanäle oder Schluchten ziehen“, so Marty Tomasko vom Planetary Laboratory in Arizona, der bei der „Huygens“-Mission für die Bildbearbeitung zuständig ist. „An einer Seite grenzt scheinbar eine Küstenlinie an.“ Die Landschaft sei durch Flüssigkeit geformt worden, jedoch nicht durch Wasser, sondern durch flüssige Kohlenwasserstoffe wie Methan, so Tomasko.

Die Aufnahme der Landestelle von „Huygens“ erinnert an Fotos vom Mars: Sie zeigt eine von Eis- oder Gesteinsbrocken übersäte Ebene, deren Untergrund möglicherweise sumpfig oder matschig ist, da „Huygens“ weich landete. Noch sind die Projektwissenschaftler jedoch vorsichtig mit der Interpretation. Die Bilder enthielten noch viele Fehler, ihre Bearbeitung werde noch Wochen dauern, so Tomasko. Die Auswertung des gesamten Materials wird Jahre dauern. Aus den ersten Daten schließen Wissenschaftler auch auf Anzeichen für Niederschläge und Bodennebel auf dem Titan. Zudem seien in der Atmosphäre Kohlenwasserstoffverbindungen und längerkettige Moleküle aus Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff gefunden worden. Das bestätige die Annahme, auf dem Titan herrschten Bedingungen wie auf der frühen Erde, kurz bevor vor Millionen Jahren die ersten Lebensformen entstanden.

Schon jetzt sprechen ESA-Wissenschaftler von einem „fantastischen Erfolg“ der Mission. Leicht getrübt wird ihre Freude nur dadurch, dass bei der Datenübertragung ein Funkkanal der „Huygens“-Sonde ausfiel und rund 350 Bilder sowie ein Teil der Wetterdaten aus der Atmosphäre verloren gingen. Doch das sei, so David Southwood, wohl ein hinnehmbares „Opfer an die Götter“.