St. Martin will zu den Sternen

KÜNDIGUNG Die Fußballer des Hamburger SV müssen sich einen neuen Trainer suchen: Martin Jol wechselt nach Kritik an der HSV-Personalpolitik zu Ajax Amsterdam

Im Club war nach Jols Antritt von neuer „Wohlfühl- atmosphäre“ die Rede

VON RALF LORENZEN

Als am Montag letzter Woche Bruno Labbadia eifrig telefonierend am Museumshafen Neumühlen gesehen wurde, wunderten sich einige Spaziergänger kurz. Was macht der Trainer von Bayer Leverkusen, der noch das DFB-Pokalfinale vor sich hat, mitten am Tag in Hamburg? Alte Freunde besuchen, lautet die wahrscheinlichste Antwort.

Diese Begegnung am Elbufer erscheint seit Dienstag in neuem Licht. Wie der Hamburger SV und Ajax Amsterdam bestätigten, wird Martin Jol in der kommenden Saison Trainer des niederländischen Traditionsclubs. Jol, 53, erhält in Amsterdam einen Dreijahresvertrag und tritt die Nachfolge von Marco van Basten an. In Hamburg hatte er einen Kontrakt bis Juni 2010. Über eine mögliche Ablösesumme war bis Redaktionsschluss nichts in Erfahrung zu bringen.

Noch bis Ende April galt das Verhältnis zwischen Hamburgs Vereinsführung und Martin Jol als perfekt. Bei der Vorstellung vor fast genau einem Jahr outete sich Präsident Bernd Hoffmann als „happy President“ und schon nach wenigen Wochen war in der Stadt, die vom nüchternen Ergebnis-Fußball genug hatte, eine neue Fußball-Euphorie spürbar. Im Club selbst war von einer neuen „Wohlfühlatmosphäre“ die Rede und als der HSV wenige Wochen vor Saisonschluss noch in allen drei Wettbewerben dabei war, schien alles möglich. In Verkennung des tatsächlichen Potenzials der Mannschaft, die mit Rafael van der Vaart und Nigel de Jong ihre beiden besten Spieler verkauft hatte, träumte halb Hamburg vom Triumph.

Dann kam Werder – und der HSV verspielte innerhalb von 19 Tagen eine ganze Saison. Mit einem Abseitstor in letzter Sekunde wurde immerhin der fünfte Platz und damit die Teilnahme an der Europa League gerettet. Jol selbst musste sich nach der Niederlage im DFB-Pokal erstmals taktische Fehler vorwerfen lassen. Nachdem auch der Uefa Cup weg war, ging er selbst in die Offensive und kritisierte die Einkaufspolitik der Vereinsoberen. „Man kann nicht für 42 Millionen Euro verkaufen und dann hoffen, dass man Meister wird“ sagte der Trainer nach der 0 : 1- Niederlage gegen den 1. FC Köln. „Am Ende waren wir nicht breit genug aufgestellt.“

Big Martin hat große Ansprüche, obwohl sich seine eigenen Erfolge bislang auf einen Pokalsieg mit Roda Kerkrade und drei fünfte Plätze mit Tottenham Hotspur und dem HSV beschränken. In einem am Donnerstag erscheinenden Interview mit 11 Freunde legte er nach und macht seinen längerfristigen Verbleib von einer aggressiveren Einkaufspolitik abhängig. Man müsse sich „innovativ verstärken, mit viel Geld. Man kann nicht groß denken und klein handeln.“ Wenn er diese Perspektive nicht habe, sei er „enttäuscht, böse, frustriert“.

Immer öfter zeigte Jol in den letzten Wochen, warum Timothy Atouba ihn mit einem Krokodil verglichen hat. „Wenn es nicht läuft, beißt er zu.“ Nicht gut lief auch der Poker um Neuverpflichtungen. Die Wunschkandidaten Alexander Madlung und Kostas Katsouranis sind bereits abgesprungen. Und die Verpflichtung von Nachwuchsstar Eljero Elia ist stark an die Person von Martin Jol gekoppelt.

Falls Jol tatsächlich Marco van Basten in Amsterdam beerbt, können sich die HSV-Verantwortlichen nicht 177 Tage Zeit lassen, wie im letzten Jahr, um einen neuen Trainer zu finden. Aber vielleicht haben sie damit ja längst begonnen. Einer der Top-Kandidaten im letzten Jahr hieß übrigens Bruno Labbadia.