: Zu schick zum Fördern
Das Quartiersmanagement steht vor einer Neuorientierung. Gebiete in Prenzlauer Berg und Friedrichshain sind besonders betroffen – sie sind zu reich geworden. Initiativen vor dem Aus
VON DIRK HAGEN
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung plant den Rückzug aus einigen Gebieten mit Quartiersmanagement (QM): Betroffen sind voraussichtlich die Gebiete Falkplatz und Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg und Boxhagener Platz in Friedrichshain. Die Senatsverwaltung will aber gleichzeitig in bisher unberücksichtigten Stadtteilen ihre Aktivitäten verstärken. Seit 1999 wird das QM im Rahmen des bundesweiten Programms „Soziale Stadt“ als ein Instrument zur Steuerung von benachteiligten Stadtgebieten in Berlin eingesetzt. Aktuell sind in Berlin 17 QMs aktiv.
Im Kern ist die Aufgabe der QMs, mit einem Team von in der Regel zwei, drei Mitarbeitern mit einem jeweiligen Vor-Ort-Büro in besonders benachteiligten Gebieten der Stadt zur Stabilisierung und Aufwertung beizutragen. Die Aufgaben reichen dabei von Arbeitsmarktpolitik oder Wirtschaftsförderung bis hin zu Maßnahmen im Wohnumfeld oder der Gesundheitsförderung. Insbesondere die Stärkung von noch vorhandenen Selbsthilfepotenzialen in den betroffenen Stadtteilen nimmt eine wichtige Stellung in der Betreuung ein. Sie wird durch die finanzielle Unterstützung von Bewohnerprojekten mit Mitteln aus einem für jedes QM zur Verfügung stehenden Quartiersfonds gefördert.
Sicher scheint, dass es im Rahmen der Neuorientierung des QM schon in den ersten Monaten dieses Jahres zu einem Rückzug aus den drei bisherigen QM-Gebieten in der östlichen Innenstadt kommt. Eine Entscheidung, die nicht sehr überrascht: Längst sind diese Kieze nicht nur trendy und bei Studenten beliebt. Dort hat sich auch der Zuzug von mittleren Einkommensschichten in den vergangenen Jahren deutlich verstärkt. Die eigentlichen Probleme sind hier eher steigende Mieten und Verdrängung – und nicht die „Benachteiligung“ dieser Quartiere.
Von einer „Abwicklung“ der drei innerstädtischen QMs im Ostteil der Stadt wollen aber weder Quartiersmanager noch Wolf Schulgen, Abteilungsleiter für Wohnungswesen, Stadterneuerung und Bauförderung, sprechen. Sie sehen in der anstehenden Neuordnung eher einen „geordneten Rückzug“. Dieser könnte folgendermaßen ablaufen: Die betroffenen QMs erhalten noch einmal für ein Jahr eine finanzielle Ausstattung, nach einer Übergangszeit verstärken die jeweiligen Bezirke ihr Engagement weiter. Ab 2006 geht die Betreuung der Kieze dann wieder auf die jeweiligen Bezirke über.
Eine wichtiges Thema bei dem bisher einmaligen Rückzug aus QM-Gebieten ist die weitere Unterstützung bisher geförderter Projekte. Zahlreiche Initiativen wurden 2001 durch den vom damaligen Senator Strieder einmalig mit einer Million Mark pro Kiez ausgestatteten Quartiersfonds überhaupt erst ins Leben gerufen. Wenn auch in den vergangenen Jahren die QMs nur noch deutlich geringere Beträge für diese Fonds zur Verfügung hatten, bleiben sie weiterhin eine wichtige Geldquelle für die Kiezprojekte. Ob viele dieser oft sozialorientierten Projekte ohne eine kontinuierliche finanzielle Unterstützung überlebensfähig sind, scheint äußerst fraglich.
In vielen anderen Stadtgebieten, insbesondere im Westteil der Stadt, hat sich anders als am Boxi oder Helmi die Lage weiter zugespitzt – zum Beispiel durch zunehmende Arbeitslosigkeit und hohen Sozialhilfeempfängeranteil. Hier wird nun erwartet, dass die Aktivitäten des Senats auch in Form von QM verstärkt werden. Aber auch andere Steuerungsmaßnahmen mit einer engeren Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften sind im Gespräch. Insgesamt scheint sich damit auch der Trend hin zu verstärkten sozialintegrativen Maßnahmen, etwa im Bereich Bildung, zugunsten der finanziell aufwändigen baulichen Investitionen in den Quartieren durchzusetzen.
Ob diese Instrumente der Stadtsteuerung den sozialen und ökonomischen Abstieg der betroffenen Kieze aufhalten können, kann bezweifelt werden. Dass zur Stützung der Stadtteile kaum zusätzliche Mittel bereitstehen werden, darauf weist Philipp Mühlberg, Referatsleiter für „Soziale Stadt“ von der Senatsverwaltung, hin. Hintergrund sind hier auch die in den nächsten Jahren für Berlin deutlich zurückgehenden EU-Finanzhilfen.