Genossinnen aus Land verdrängt

Bei der kommenden Landtagswahl haben Frauen in der SPD das Nachsehen: Die Direktkandidaturen sind zu 70 Prozent an Männer vergeben, die Landesliste zieht nicht. Der Vorstand sieht sich machtlos

VON ANNIKA JOERES

Die Macht wird bei der nordrhein-westfälischen SPD unter Männern aufgeteilt: Bei der kommenden Landtagswahl wurden die bisherigen Direktkandidaturen zu 70 Prozent an Männer vergeben. „Das ist ein echter Rückschritt“, sagt Renate Drewke, Arnsberger Regierunsgpräsidentin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. Maßgebliche Erfolge der Landespolitik seien auf die engagierte Mitarbeit von Frauen zurückzuführen: „Die Ganztagsbetreuung, der demographische Wandel – all das wäre ohne die Genossinnen im Landtag hinten runter gefallen.“

Die SPD hat zwar eine Quote, die besagt, dass mindestens 40 Prozent der Plätze auf der Landesliste an Frauen vergeben werden. Bei Landtagswahlen werden die allermeisten SPD-Mandate an DirektkandidatInnen vergeben. Neben der CDU gewinnt die SPD in NRW viele Wahlkreise direkt. Sollte die SPD in den Umfragen weiter zulegen und in vielen Wahlkreisen die absolute Mehrheit erringen, wird die Liste und damit die Quote noch unwichtiger. Bei vergangenen Landtagswahlen zogen manchmal nur die ersten beiden Listenplätze, alle anderen Sitze im Landtag wurden über die gewonnenen Wahlkreise vergeben. Auch die jetzige Landtagsfraktion rekrutierte sich komplett aus Direktwahlkandidaturen.

Der Landesvorstand sieht sich nicht in der Verantwortung, die männliche Übermacht zu brechen. „Was in den Kreisverbänden passiert können wir nicht beeinflussen,“ sagt Norbert Römer vom Landesvorstand. Mehr Frauen seien natürlich wünschenswert, fielen aber nicht vom Himmel. Und Susanne Weineck, Sprecherin des Vorstands sagt: „Das ist eine autonome Entscheidung der Unterbezirke.“ Auf der Landesliste würde die Quote ja absolut eingehalten, noch nie seien weniger als 40 Prozent Frauen nominiert worden. Natürlich seien die Ansprüche auch für die Unterbezirke anders formuliert, aber das sei eine „Geschichte“, die sie bedauern, aber nicht beeinflussen könne.

Selbst die Jusos wollen nicht gegen die niedrige Frauenquote kämpfen. „Das ist ein gesellschaftliches Problem“, sagt Ute Brüggenhorst, Bildungsreferentin der Jugendorganisation. Alle Parteien hätten damit zu kämpfen, dass sich zu wenige Frauen engagieren, nur die kleinen Parteien wie Grüne und FDP hätten damit weniger Probleme. „Daran sind nicht nur männliche Seilschaften Schuld“, sagt Brüggenhorst. Sobald Kinder da wären, würden sich viele Frauen aus den Räten zurückziehen.

Renate Drewke will diese „alten Argumente nicht mehr hören.“ Sie habe im Vorstand dafür plädiert, dann wenigstens die ersten fünf Listenplätze ausschließlich an Frauen zu vergeben, um einen kleinen Ausgleich zu schaffen. Ihr Vorschlag fand keine Mehrheit: „Das wurde nicht großartig diskutiert, sondern die Männer haben einfach dagegengestimmt“, sagt Drewke, einzige Regierungspräsidentin in NRW. „Oben muss korrigiert werden, was unten unverantwortliches passiert.“ Sie glaubt, dass der verkleinerte Landtag zu der Männerschwemme geführt hat. „Die Konkurrenz ist härter.“

Die endgültige Liste wird Mitte Februar von den NRW-Genossen und Genossinnen verabschiedet. Bis dahin fordert Drewke, dass Frauen in den Regionen um die vordersten Plätze kämpfen müssen. Das würde aber bedeuten, sich auch mal gegen den männlichen Gegenkandidaten aufstellen zu lassen. Das sei nur sehr schlecht gelitten und die Frauen bekämen oft kein Bein auf den Boden. „Wir müssen das prinzipieller lösen.“