Liebespaare und Wunderkinder: Zugezogene bereichern die Berliner Dancefloors

Sonny & Cher, Ike & Tina Turner, John & Yoko, und nun, ähem: Pupkulies & Rebecca. Die Ahnenreihe ist jedoch nur eine, weil auch im Falle von Rebecca Gropp und Janosch Blaul ein Liebespaar Musik macht. Musikalische Gemeinsamkeiten sucht man aber vergeblich: Pupkulies & Rebecca versuchen nun auf „Burning Boats“ schon zum dritten Mal, Beats mit Lied und Chanson zu verbinden. Manchmal, wie in „Sorry“, nimmt die Elektronik überhand, wird die Stimme zu einem weiteren Klang degradiert, der die ineinander verschränkten, abstrakten Störgeräusche eher begleitet als dominiert. Dann aber, wie in der Minimal-Übung „Confused“, ziehen sich die von Blaul programmierten Rhythmen wieder zurück und überlassen Gropps Stimme die Bühne. So trudelt das aus Würzburg nach Berlin gezogene Pärchen stets an der Schnittstelle zwischen Elektronik und Akustik entlang, kippt mal zur einen Seite wie in dem französisch gesungenen Kirmes-Chanson „Nouvelle Chance“ oder in dem leichtfertig dahingeklimperten Kinderjazz von „Black and Blue“, mal zur anderen wie in „Pink Pillow“, das weniger Song ist als eher Klanglandschaft, durch die traumverlorene Stimmen wie Gespenster wandeln. Tatsächlich arbeiten Pupkulies & Rebecca sehr schön heraus, dass der früher einmal gepflegte Antagonismus zwischen Track und Song zwar schon lange keiner mehr ist, aber noch heute zu durchaus konstruktiven Zwecken wiederbelebt werden kann. „Burning Boats“ versucht die Unterschiede zwischen akustischer und elektronischer Klangerzeugung nicht zu verwischen, sondern eher den mittlerweile selbstverständlichen Grenzübertritt immer wieder aufs Neue hörbar zu machen.

Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Liszt, Alex Chilton, Tracy Austin, und nun, wir präsentieren: Kid 606. Okay, ein richtiges Wunderkind war Miguel Manuel De Pedro vielleicht nicht, aber doch noch nicht einmal volljährig, als er seine ersten, einigermaßen bahnbrechenden Tracks herausbrachte. Mittlerweile ist der gebürtige Venezolaner, der in Kalifornien aufwuchs, 29 Jahre alt und nach Berlin gezogen. Dass er sich mit seiner neuen Heimat angemessen identifiziert, merkt man dem Titel seines neuen Albums an: „Shout At The Döner“ ist ein rüdes, immer mal wieder abrupt die Richtung wechselndes Album geworden, auf dem man durchaus einerseits die Techno-Brett-Vergangenheit der deutschen Hauptstadt hören kann, andererseits aber auch die Experimentierfreudigkeit des Mille-Plateau-Labels, auf dem Kid 606 früher veröffentlichte. Es ist eine Freude, dem Kid dabei zuzuhören, wie er die Schere zwischen diesen beiden Polen immer weiter aufreißt: Voll auf die Eins, aber mit Sounds aus dem Kindergarten, das sind ebenso verstörend wie schwerfällige Industrial-Samples, die unterlegt werden mit fickrigen Beats. In der Konsequenz ist „Shout At The Döner“ zwar durchaus brauchbar, um ein paar Beine in Bewegung zu setzen, aber seine wahren Qualitäten entwickelt das Album als Karikatur auf die aktuelleren Errungenschaften der Tanzbodenbeschallung. THOMAS WINKLER

■ Pupkulies & Rebecca: „Burning Boats“ (Normoton/Alive), Record Release Party heute Raumklang

■ Kid 606: „Shout At The Döner“ (Tigerbeat6/VeryFriendly/Cargo), als DJ heute Maria