: Das Cannes der Friesen
AUGENSCHMAUS Das Filmfest Emden-Norderney legt einen Schwerpunkt auf Filme aus Großbritannien und Irland und ist eines der gemütlichsten Filmfestivals in Deutschland. Mitte Juni feiert es seinen 20. Geburtstag
VON WILFRIED HIPPEN
Vor zwanzig Jahren hatten ein paar filmbegeisterte Volkspädagogen im ostfriesischen Emden die Idee, ein Festival zu gründen, bei dem im einzigen Kino der Stadt, dem Theater und dem Saal der Volkshochschule Filme gezeigt wurden, die sonst in der nordwestdeutschen Provinz nie zu sehen gewesen wären. Das Filmfest Emden-Norderney dürfte damit eine der dauerhaftesten Volkshochschul-Veranstaltungen der Republik sein.
In den ersten Jahren waren die Filmvorführungen in erster Linie Vorpremieren internationaler Produktionen und es wurden Erfolge von großen Festivals wie Berlin, Venedig und Cannes nachgespielt. Die aus Emden stammende Filmemacherin Helma Sanders-Brahms feierte regelmäßig die Premieren ihrer neuen Werke und der Regisseur Bernhard Wicki wurde zum ständigen Ehrengast des Filmfests. Ihm wird seit seinem Tod durch die Verleihung des Bernhard Wicki Preises gedacht.
Dieser Preis wird nicht von einer Jury sondern durch Publikumsabstimmung ermittelt. Darin zeigt sich die Philosophie dieses Filmfestes, das sich als „das Publikumsfestival im Nordwesten“ sieht und jeden elitären Anschein vermeidet.
Auf diesem Filmfest werden auch schon mal fremdsprachliche Filme in synchronisierten Fassungen gezeigt, was auf Filmfestivals eigentlich absolut tabu ist. Andererseits sorgen die winzige Leinwand des schwartigen „Verzehrkinos“ Apollo und die harten Stühle des VHS-Saals dafür, dass dies ein eher rustikales Festival ist. Emden ist halt eine Gewerkschaftsstadt. Deshalb wird seit einiger Zeit auch ein DGB-Filmpreis verliehen und die Gewoba Emden zählt zu den Sponsoren.
Inzwischen ist auch das örtliche Multiplex Festivalspielort und man darf auf keinen Fall Norderney vergessen, das im Laufe der Jahre zu einem Außenposten des Festivals wurde. In Norderneys Kurtheater, das wohl das schönste Kino Norddeutschlands ist, werden eine Handvoll Filme nachgespielt.
Über die Jahre hat sich das Profil des Programms verwandelt. Es ist wohl auch der geographischen Nähe geschuldet,wenn in Emden die britischen und irischen Filme einen Schwerpunkt bilden. Hier kann jeweils der Jahrgang des angelsächsischen Kinos begutachtet werden, nur Ken Loach oder Mike Leigh stellen ihre neusten Filme lieber in Cannes vor.
In diesem Jahr wird immerhin Michael Winterbottoms Familiendrama „Genova“ zum ersten Mal in Deutschland gezeigt, genau wie der Debütfilm „Hunger“ von Steve McQueen über den Umgang mit IRA-Gefangenen in der Thatcher-Ära. In einer Werkschau sind Trickfilme des britischen Aardman-Studios zu sehen, die durch die Wallace & Gromit-Serie international erfolgreich wurden. Neue Kontakte über die Nordsee hinweg wurden nach Norwegen geknüpft, so dass diesmal drei dort sehr erfolgreiche Produktionen in der internationalen Reihe laufen.
Der Ehrengast wird in diesem Jahr Iris Berben sein: Eine Reihe von ihren Filmen wird in einer Hommage aufgeführt. Mit solchen publikumsträchtigen Programmpunkten wird das Filmfest geschickt in der Stadt geerdet. Dies zeigt sich auch darin, dass viele Läden der Stadt ihre Schaufenster mit cineastischen Motiven dekorieren und für diese paar Tage im Frühling ein angenehmes, weltoffenes Flair in der Stadt herrscht.
Am berühmtesten Emder, dem Komiker Otto Waalkes, kommt allerdings auch das Filmfest nicht vorbei: Jeder Gast wird mit einem eigens von Otto für das Filmfest entworfenen Stoff-Ottifanten beschenkt, was bei feinen Damen immer wieder zu Irritationen führt. Auch dies ist eines der Rituale, die Emden zu einem der gemütlichsten Festivals des Landes macht.
Filmfest Emden-Norderney, 10. bis 17. Juni