: Aus dem Rheinland nach Ruanda
Lokale Projekte in Afrika könnten Modell für die Hilfe in der Flutregion sein
BUDAHA taz ■ Der beschwerlichste Teil der Reise von Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz nach Budaha in Ruanda sind die letzten Kilometer: Vom Platzregen knietief zerklüftet, schlängelt sich der Hohlweg an Bananenbäumen und terrassierten Feldern vorbei. Am Ende bleibt auch der Jeep stehen – Alexander Stroh geht zu Fuß weiter. Der Student vom Bad Kreuznacher Ruanda-Komitee ist weit gereist, um seine Partnergemeinde zu besuchen.
In umgekehrter Richtung läuft Jean-Baptiste Bicamumpaka oft die vier Stunden von seinem Hügel bis zur Teerstraße, um von dort den Bus zu seiner Arbeitsstelle im Koordinationsbüro der Partnerschaft Rheinland-Pfalz in Ruandas Hauptstadt Kigali zu nehmen.
Stroh und Bicamumpaka sind Partner – und ein ungleiches Paar: Der eine ist Politikstudent, gerade 25 Jahre alt und seit sechs Jahren in der Partnerschaft seiner Heimatstadt mit Ruanda engagiert; der andere ist ehemaliger Schulinspektor, Mitglied des ruandischen Partnerkomitees von Bad Kreuznach in Budaha und Vater mit 23 Kindern – sechs eigene und siebzehn Waisen, die er nach dem Völkermord von 1994 bei sich aufnahm.
Das Ruanda-Komitee von Bad Kreuznach und sein Partner im 85.000 Einwohnern zählenden Landkreis Budaha gehören zu den kleinsten Einheiten der Zusammenarbeit. Schüler in Rheinland-Pfalz sammeln Geld für ihre ruandischen Partnerschulen, deutsche Handwerker bringen Lehrlingen in Ruanda bei, wie man mauert und Autos repariert, und deutsche Ärzte statten ihre Kollegen mit Mikroskopen und Verbandsmaterial aus.
Gemeinsam begutachten Stroh und Bicamumpaka heute ihr jüngstes Werk: den Ausbau der Grundschule Mujyojyo. Sie war zu klein, denn wie überall in Ruanda platzt auch diese Schule aus den Nähten: 43 Prozent der ruandischen Bevölkerung sind unter fünfzehn, Klassen mit bis zu sechzig Schülern werden oft schichtweise unterrichtet. Statt baufälliger Gebäude stehen jetzt auf der Anhöhe stabile Ziegelbauten mit Metalldach. Die zwölf Klassenräume haben neue Bänke, so dass die Kleinsten nicht mehr auf Lehmziegeln sitzen.
Die Entscheidung über den Ausbau trafen das ruandische Partnerschaftskomitee in Budaha und die Bad Kreuznacher gemeinsam. Über das Büro der „Partnerschaft Rheinland-Pfalz-Ruanda“ in Kigali beauftragten sie den Bauunternehmer und überwachten die Arbeiten. Der ruandische Staat war nur in Person des Bürgermeisters von Budaha beteiligt, der zur neuen Schule Ja sagen musste. Das deutsche Entwicklungshilfeministerium hat auf die knapp 20.000 Euro, die die Bad Kreuznacher gespendet haben, noch 55.000 draufgelegt.
Die Partnerschaft zwischen Ruanda und Rheinland-Pfalz besteht seit 1982 und hat rund 1.600 Projekte realisiert. Ihre Bedeutung ist groß: 2004 hat Deutschland rund 8 Millionen Euro an Entwicklungshilfe für Ruanda gezahlt – die Rheinland-Pfälzer haben über ihre Partnerschaften noch einmal gut 4,5 Millionen Euro transferiert, etwas mehr als die Hälfte in bar, die andere Hälfte in Sachspenden.
So tauchen in den entlegensten Winkeln Ruandas Schilder mit dem schwarz-roten Logo der „Jumelage“ genannten Partnerschaft am Straßenrand auf, und von Ruanda aus scheint Deutschland nur aus Orten in Rheinland-Pfalz zu bestehen. „Wir sind auf natürliche Weise miteinander verbunden“, sagt Bicamumpaka, „aber wir müssen trotzdem daran arbeiten, dass wir uns gut verstehen – vor allem wir Ruander.“ Wenig diskutiert wird die Rolle der Partnerschaft während des Völkermordes 1994 – manche Täter sollen ihre Beziehungen zu Rheinland-Pfalz genutzt haben, um vor Strafverfolgung zu fliehen. Auch der ehemalige Bürgermeister von Bwakira, inzwischen Teil von Budaha, hat angeblich blutige Hände. „Hätten wir denn die Partnerschaft nach dem Völkermord beenden sollen?“, fragt Stroh. „Wenn wir diese Arbeit nicht machen, macht sie vielleicht keiner.“
Die Probleme der Gegenwart sind andere. Bicamumpaka ärgert sich, dass seine Landsleute auf deutsche Hilfe warten, statt selbst Ideen zu entwickeln – zum Beispiel, dass das Dorf die Ziegel für die Schule nicht kauft, sondern selbst brennen könnte, oder dass die Schulbänke mit Hilfe eines Projekts für Waisenkinder gezimmert werden könnten. Um das zu befördern, sind im ruandischen Komitee praktisch alle aus der Gemeinde vertreten: Schuldirektoren, Handwerker, Bauern, Mediziner, Frauenorganisationen – und die in Ruanda allgegenwärtige katholische Kirche.
Als Nächstes soll die Partnerschaft in Budaha das Gesundheitszentrum im Dorf Munzanga ausbauen. Direktor Gélin Subika zeigt die Ausstattung: ein Sterilisationsgerät, ein geschenktes Mikroskop, ein paar uralte Fachbücher auf Spanisch. Die Chirurgie besteht aus einem dunklen Raum mit Platz für nur einen Stuhl, über einem steinernen Ausguss können Wunden gewaschen werden. Es gibt viel zu tun. JULIA SCHÜRMANN