Die Totengräber vom Roten Kreuz

Bo 99, ein erfolgreiches Aussiedlerprojekt am Osdorfer Born wird heute dichtgemacht: Obwohl Spenden für den Weiterbetrieb vorhanden sind

Am heutigen Montag ist es vorbei – endgültig. Bo 99, das einzige Projekt am Osdorfer Born, das sich gezielt jugendlichen AussiedlerInnen widmet, schließt nach drei Jahren erfolgreicher Arbeit seine Pforten. Und das, obwohl die so handgreiflichen wie schlagzeilenträchtigen Auseinandersetzungen rivalisierender Jugendgruppen („Bandenkrieg am Osdorfer Born“) im vergangenen Oktober die Notwendigkeit der Aussiedler-Arbeit in dem Stadtteil eindrucksvoll belegt haben. Rund 15 Prozent der Wohnbevölkerung hier sind russisch-sprachige AussiedlerInnen.

Schularbeitenhilfe und Deutschtraining gehörten über Jahre genauso zum Integrationsprogramm von Bo 99 wie die Aufklärung über Sucht und Drogen oder Angebote für eine gemeinsame Freizeitgestaltung. Offiziell begründet das Deutsche Rote Kreuz (DRK), Träger der Einrichtung, die bevorstehende Schließung damit, dass die Projektfördermittel für „Bo 99“ Ende Januar auslaufen. Drei Jahre lang hatte das „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ den Aussiedlertreff, der im Osdorfer DRK-Zentrum an der Bornheide untergebracht ist, vollständig finanziert.

Doch die Begründung ist nur die halbe Wahrheit. Das DRK stellte zwar einen Folgeantrag beim Bundesamt – doch der hat kaum Chance auf eine Bewilligung: Denn die von der Berliner Behörde geforderten 15 Prozent Finanz-Eigenanteil wollen die Rot-Kreuzler partout nicht übernehmen, um das Aussiedler-Projekt zu retten.

Dabei hätte das DRK sogar genügend Geld, den Betrieb weiterzuführen, bis im Mai eine erneute Bundesförderung in Frage käme. Ein Blankeneser Geistlicher spendete nach taz-Informationen mehr als 3.500 Euro für die Aussiedlerarbeit des Osdorfer DRK-Zentrums, in dem auch Bo 99 untergebracht ist.

In dem internen Protokoll einer Zentrums-Dienstbesprechung, das der taz vorliegt, wird von MitarbeiterInnen unverblümt die Befürchtung geäußert, das DRK werde die Geldspende „zweckentfremden“. Das aber käme einem Betrug durch das DRK gleich. Auch ein Angebot der beiden Bo 99-MitarbeiterInnen, den Aussiedler-Treff so lange ehrenamtlich gegen eine geringe Aufwandsentschädigung auf Schmalspur weiterzuführen, bis eine Anschlussfinanzierung gefunden ist, wurde vom Altonaer DRK-Vorstand abgelehnt – offiziell aus arbeitsrechtlichen Gründen.

Mehrere MitarbeiterInnen des DRK-Zentrums, in der Angebote von der Kinder-Krabbelgruppe bis hin zum Senioren-Aerobic angeboten werden, hegen aufgrund des demonstrativen Desinteresses des DRK an dem erfolgreichen Aussiedlertreff nun einen „dringenden Verdacht“. In dem Protokoll der Dienstbesprechung wird ganz offen die Vermutung geäußert, der DRK-Kreisverband wolle sein Osdorfer Sozialzentrum „als Ganzes platt machen“. Denn mit Sozialarbeit sei kein Geld zu verdienen. DRK-Kreisgeschäftsführer Heiko Wilts aber dementiert diese Absicht, wenn auch – so die Protokollnotiz – „nicht besonders überzeugend“. Für die taz war Wilts trotz Anwesenheit in der Geschäftsstelle die gesamte vergangene Woche nicht zu sprechen.

Dafür ahnt eine Osdorfer Sozialarbeiterin, welche Folgen die befürchtete Schließung des DRK-Zentrums für den „sozialen Brennpunkt“ Osdorfer Born hätte. Sie wäre nämlich, so die junge Frau, „eine Katastrophe für den ganzen Stadtteil“. Marco Carini