: BVG will auf 1-Euro-Ticket fahren
Die Verkehrsbetriebe könnten von Hartz IV profitieren: Der Vorstand will 1-Euro-Jobber in Busse und Trams schicken. Sie sollen etwa Rollstuhlfahrern beim Einsteigen helfen. Der Personalrat glaubt, dass so reguläre Jobs gespart werden
Einen wohl klingenden Namen hätte die BVG schon parat: „Mobilitätshelfer“ würden die 1-Euro-Jobber im Unternehmensjargon heißen, wenn die Idee bei der Landesarbeitsagentur ankommt: Bis zu 200 Arbeitslosengeld-II-Empfänger wolle man in Bus und Straßenbahn beschäftigen, sagte BVG-Betriebsvorstand Thomas Necker gestern. „Wir haben vor zwei Wochen einen Antrag bei der Agentur eingereicht.“
Die Helfer sollen in Straßenbahnen und Bussen mitfahren, Fahrplanauskünfte oder Tipps zum Streckennetz geben. Zudem könnten sie Frauen mit Kinderwagen, älteren Menschen oder Rollstuhlfahrern behilflich sein, ergänzt BVG-Sprecherin Petra Reetz: „Für sie ist das Einsteigen oft viel weniger problematisch, wenn jemand mit anpackt. Der Busfahrer hat aber seinen Fahrplan im Kopf – und oft keine Zeit.“ Netter Nebeneffekt: Die Fahrgäste fühlten sich angesichts eines zusätzlichen Menschen in BVG-Uniform sicherer.
Wann das Arbeitsamt über den Antrag entscheidet, steht noch nicht fest. BVG-Vorstand Necker rechnet sich aber gute Chancen aus: „Auf jeden Fall über 50 Prozent.“ Für die Beaufsichtigung von U-Bahn-Steigen kann die BVG nicht auf billige Unterstützung hoffen: Hier dürfe dem regulären Aufsichtspersonal, das für jeweils mehrere Stationen zuständig ist, keine Konkurrenz gemacht werden, so Necker. Denn das sind Grundvoraussetzungen für die Hartz-IV-Maßnahme: Die so genannten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung dürfen keine regulären Arbeitsplätze verdrängen und müssen von öffentlichem Interesse sein.
Beides zweifelt BVG-Personalratschef Uwe Nitzgen an – ebenso wie die Beteuerung des Vorstands, für manche Aufgaben bei internen Ausschreibungen niemand finden zu können: „Wenn es tatsächlich den vom Vorstand beschworenen Personalüberhang gibt, müsste man da doch Leute für den Kundendienst finden.“ Nitzgen befürchtet, dass sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse gespart werden sollen und dass hastig ausgebildete 1-Euro-Jobber bei dem komplizierten Tarif- und Fahrplansystem keinen Überblick hätten: „Das müssen qualifizierte Mitarbeiter machen. Falsche Auskünfte schaden der BVG eher, als dass sie nutzen.“
In der Wirtschaftsverwaltung beurteilt man den BVG-Plan skeptisch: „Es muss sehr genau geprüft werden, ob nicht reguläre Jobs verdrängt werden – zumal die Verkehrsbetriebe einen Personalüberhang haben“, sagt Sprecher Christoph Lang. „Ziel der Maßnahme ist ja, Leute so zu qualifizieren, dass sie in den ersten Arbeitsmarkt wechseln können.“
Die Chance dafür ist bei der hoch verschuldeten BVG aber gleich null: Das Unternehmen reduziert Stellen und verhandelt über einen Spartentarifvertrag. Auf Erfahrung mit öffentlich bezuschussten Jobs können die Betriebe immerhin verweisen: Anfang der 90er-Jahre waren in Bahnhöfen ABM-Kräfte unterwegs, um verirrten Touristen zu helfen. ULRICH SCHULTE