Männer an die Spritze

VERHÜTUNG Jetzt sind mal die Kerle dran: Die Universität Münster testet gerade die „Pille für den Mann“

 Zusammensetzung: Sperma (auch Ejakulat) besteht aus 3 bis 5 Prozent Spermien (etwa 80 Millionen Spermien pro Erguss, viel Wasser und: Dopamin, Noradrenalin, Tyrosin, den Bindungshormonen Oxytocin und Vasopressin sowie verschiedenen Östrogenen, Pheromonen (Geruchsstoffen) und ß-Endorphin.

 Aussehen: Frisches Ejakulat ist milchig-trüb. Unter Ultraviolettstrahlung leuchtet Sperma bläulich; auch Waschen befreit mit Sperma in Berührung gekommenes Gewebe nicht von seiner fluoreszierenden Eigenschaft – interessant für die Gerichtsmedizin.

 Menge: Im Schnitt hat das Ejakulat ein Volumen von 3,4 Millilitern (etwa ein Teelöffel). Nach längerer Abstinenz können bis zu 13 Milliliter zusammenkommen. Ejakuliert ein Mann 40 Jahre lang täglich einmal, verschießt er in dieser Zeit fast 60 Liter Sperma.

 Überlebenszeit: In der Scheide nur wenige Stunden, in der Gebärmutter dagegen drei bis sieben Tage. An der Luft bleiben Spermien bis zu 24 Stunden befruchtungsfähig.

 Wärmeempfindlichkeit: Bei Körpertemperatur kommt die Spermienbildung zum Erliegen. Daher sind Hoden außerhalb des Körpers. Nach langem, heißem Bad können Hoden auf über 37 Grad aufgewärmt werden, viele Spermien werden dann abgetötet.

VON MONIKA SCHMIDTKE

Michael Zitzmann bekommt in letzter Zeit häufig Anrufe und E-Mails von Frauen. Dabei würde er viel lieber von Männern kontaktiert, denn Zitzmann ist Professor am Zentrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie des Universitätsklinikums Münster – Andrologie lässt sich wörtlich als „Männerkunde“ übersetzen. Zitzmann testet im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die „Pille für den Mann“ und sucht daher Testpaare. Interessiert zeigen sich aber eben vor allem Frauen. 70 Prozent der InteressentInnen seien Frauen, bestätigt der Studienleiter. „Das kann ja auch mal mein Mann übernehmen“, dieses Argument hört Zitzmann oft.

Seit fast einem halben Jahrhundert verhüten Frauen mit der sogenannten Antibabypille. Diese schützt aber nicht nur vor ungewollten Schwangerschaften, sondern birgt auch Risiken. Bei früher oder längerer Pilleneinnahme könne sich zum Beispiel das Brustkrebsrisiko geringfügig erhöhen, informiert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Hinzu kämen Begleiterscheinungen wie Übelkeit mit Erbrechen, Gewichtszunahme, sexuelle Lustlosigkeit, Zwischenblutungen, Stimmungsschwankungen oder Spannungsgefühl in den Brüsten.

Es verwundert also kaum, dass Frauen seit 50 Jahren auf die Pille für den Mann warten. Ihre Hoffnungen ruhen nun auf den Schultern von Michael Zitzmann, der diese „Pille für den Mann“ testet, die gar keine ist: Alle zwei Monate wird der Mann mit einer Spritze in sein Hinterteil gepikst. Gefüllt ist die mit einer Hormonkombination aus synthetisch hergestelltem Testosteron und Gestagen. „Das ist ganz simpel, da wird einfach Cholesterin mit ein paar Gruppen ergänzt, und schon ist das Testosteron fertig“, so Zitzmann.

Arbeitslose Hoden

Der Hoden brauche dann nicht mehr zu arbeiten und Testosteron zu produzieren. Gewünschter Effekt: Auch Spermien werden schon nach der ersten Spritze nicht mehr produziert.

Es dauert allerdings, bis die Spermienproduktion komplett eingestellt ist, da im Hoden zunächst noch halb fertige und fertige Spermien vorhanden sind und diese komplett ausgeschieden werden müssen. Da könne es schon zwei bis drei Monate dauern, bis der Mann komplett unfruchtbar sei, gibt der Professor zu bedenken. Dann allerdings sei diese Methode deutlich sicherer als die Einnahme der Pille.

Zitzmann sucht noch Paare, die in einer stabilen Partnerschaft leben – bereits gezeugte Kinder sind auch willkommen und können gerne mitgebracht werden. In der Regel melden sich Paare in den Dreißigern, die schon zwei bis drei Kinder haben und bei denen eine endgültige Sterilisation (noch) kein Thema ist: Wird die Behandlung beendet, dauert es nur zwei bis drei Monate, bis der Mann wieder voll einsatzfähig ist.

Männer müssen keine Angst haben: Sämtliche männlichen Funktionen bleiben erhalten, Libido und Erektionskraft, Muskelwachstum und Bartwuchs werden nicht beeinflusst

Nebenwirkungen sind laut Zitzmann nicht zu befürchten, da nur so viel Testosteron gespritzt werde, wie der Mann auch selbst produzieren könne. Die Männer brauchten daher keine Angst zu haben: Sämtliche männliche Funktionen bleiben erhalten, Libido und Erektionskraft, Muskelwachstum und Bartwuchs werden nicht beeinflusst. Auch ein „trockener Orgasmus“, also ein Orgasmus ohne Erguss, sei nicht zu befürchten: Der Großteil der Samenflüssigkeit entstammt dem Samenbläschen und der Prostata, die Menge das Ejakulats bleibt gleich. Es sind nur keine Spermien enthalten.

Mit der Studie rückt die Hoffnung vieler Frauen näher, dass auch der Mann endlich mehr Verantwortung bei der Verhütung übernehmen kann – in dieser Frage haben nach wie vor Frauen die Hosen an. In der Studie „Verhütungsverhalten Erwachsener 2007“ der BzgA gab knapp die Hälfte der 20- bis 29-jährigen befragten Männer an, dass nicht sie verhüten; bei den gleichaltrigen Frauen waren es nur 4 Prozent, bei denen der Partner verhütet. Trotz ihrer Risiken ist die Pille das meistbenutzte Verhütungsmittel in Deutschland, über die Hälfte der Befragten schlucken sie. Bisher gibt es noch kein hormonelles Verhütungsmittel für den Mann, obwohl seit Jahren daran geforscht wird. Bayer Schering Pharma hat 2007 seine Bemühungen eingestellt. Auch die Ruhruniversität Bochum hat bis 2004 intensiv an der Entwicklung einer Verhütungsmethode für den Mann gearbeitet. Die Studie wurde von Hanns Hatt, Professor für Zellphysiologie, und seinem Team sogar erfolgreich beendet – doch nun müssen die Pharmaunternehmen beweisen, „dass die Medikamente zu 100 Prozent verhüten, sonst haben die Menschen ja keinen Spaß daran“ sagt Hatt, der annimmt, dass die Medikamente frühestens 2012 marktreif sein werden.

Erweiterte Anwendung

Was auch für die „Pille für den Mann“ aus Münster gilt – die Frauen sollten sich also nicht zu früh freuen. Die von Michael Zitzmann entwickelten Medikamente werden zwar bereits bei Männern mit Hodenamputation angewendet, damit die Patienten kein weiteres Testosteron produzieren. Nun muss das Mittel aber noch im Rahmen einer Studie unter Beweis stellen, dass es für eine erweiterte Anwendung geeignet ist: Dann – endlich – können auch Männer bei der Verhütung ihren Mann stehen.