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Archiv-Artikel

Allawi ruft Iraker zur Kooperation auf

Für die Bewertung der Wahlen vom Sonntag wird die Wahlbeteiligung ein wichtiger Indikator sein – vor allem unter den Sunniten. Daran kann sich entscheiden, ob es im Zweistromland in Zukunft mehr Stabilität und Sicherheit geben wird

AUS AMMANKARIM EL-GAWHARY

„Wir hoffen, dass diese Wahlen nun endlich zu Sicherheit und Stabilität führen.“ So lautete bei den Wahlen zum irakischen Übergangsparlament am Sonntag die häufigste Antwort auf die Frage, was sich die an den Wahllokalen anstehenden Iraker denn nun von der Zukunft erhoffen.

Die Wahlbeteiligung wird als wichtigster Faktor angesehen, um die Frage zu beantworten, ob dieser vielfach formulierte Wunsch in Erfüllung gehen wird. Endgültige Zahlen darüber gibt es noch nicht, aber es gilt als sicher, dass die Kurden im Norden und die Schiiten im Süden in höherem Maße als erwartet an die Urnen geschritten sind. Das bedeutet, dass die neue Regierung und das neue Parlament, trotz ausländischer Truppen im Land, erstmals die Legitimität besitzen, von der Mehrheit der Iraker bestimmt worden zu sein. Die meisten Iraker werden die Regierung als die ihre ansehen und das wird auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage haben.

„Die Mehrheit der Wähler haben den Militanten eine Absage erteilt“, lautete gestern einer der meistzitierten Sätze bei der Analyse der irakischen Wahlen. Doch der Hinweis auf die hohe Wahlbeteiligung reicht allein nicht aus, um die Frage nach zukünftiger Stabilität zu beantworten. Denn in der Wahlbeteiligung steckt nicht nur ein quantitatives, sondern auch das qualitative Moment, wer genau zu den Urnen gegangen ist. Wie hoch die Wahlbeteiligung der Sunniten des Landes ist, wird die direktesten Auswirkungen auf die Sicherheitslage haben.

Die Sunniten stellen schätzungsweise 20 Prozent der Bevölkerung. Sie bildeten einst das Rückrad des alten Regimes, genauso wie sie heute das Rückrad der Guerilla formen, entweder indem sie dort direkt mitarbeiten oder die Aufständischen indirekt unterstützen. Die Hoffnung der Organisatoren der irakischen Wahlen war, dass genug Sunniten wählen gehen, um einen Keil zwischen den harten Kern der Aufständischen und der politischen Elite der Sunniten zu treiben.

Wenn beispielsweise ein Drittel der Sunniten zu den Urnen geschritten sind, dann würde dies eine für die politische Zukunft des Landes wichtigere Absage an die Militanten bedeuten, als wenn 100 Prozent der Kurden und Schiiten, die nichts mit den Aufständischen gemeinsam haben, wählen gegangen wären. Eine hohe schiitisch-kurdische und eine niedrige sunnitische Wahlbeteiligung würde die Polarisierung des Landes sogar nur verstärken und wäre vielleicht schon ein erster Schritt in den Bürgerkrieg.

Bisher gibt es keine verlässlichen Angaben über die sunnitische Wahlbeteiligung. „Die Wahlbeteiligung in den umkämpften sunnitischen Gebieten war wesentlich höher als erwartet“, erklärte der Chef der unabhängigen irakischen Wahlkommission gestern bei einer Pressekonferenz, ohne diese relative Erklärung zu quantifizieren. „Die Wahlbeteiligung in den sunnitischen Gebieten war wesentlich niedriger als in anderen Gegenden“, ließ dagegen ein US-Regierungsbeamter in Bagdad anonym verlauten, ebenfalls ohne seine Aussage in Zahlen zu kleiden.

Der bisherige irakische Ministerpräsident Ajad Allawi versuchte jedenfalls bereits gestern vorzubauen und die Nichtwähler vom Sonntag doch noch zu einer künftigen Zusammenarbeit in den politischen Institutionen zu bewegen. „Wir betreten eine neue Phase unserer Geschichte“, kündigte er an, „und alle Iraker, ob sie gewählt haben oder nicht, sollten jetzt für die Zukunft ihres Landes zusammenarbeiten.“ In der ihm verbleibenden Zeit als Ministerpräsident werde er einen Dialog initiieren, um eine bessere Vertretung aller Iraker in der künftigen Regierung zu gewährleisten, fügte er hinzu.