Sie sind wieder wer

Die schleswig-holsteinische SPD glaubt wieder an sich und an den Sieg bei den Landtagswahlen. Letzter Beweis: Der fulminante Wahlkampfabend mit Kanzler Schröder auf feindlichem CDU-Gebiet

aus Husum Esther Geißlinger

Allmählich glauben sie wirklich an den Sieg: Begeistert berichtete am Mittwochabend auf der großen SPD-Wahlkampfveranstaltung mit Kanzler Gerhard Schröder eine Wahlkampfhelferin von ihrem Einsatz neulich auf dem Kellinghuser Wochenmarkt. Rote Heide Schals hat sie da verteilt. „Und jeder wollte einen!“ Auch der SPD-Kommunalpolitiker Rainer Pick aus Friedrichstadt in Nordfriesland trägt den Kopf wieder oben: „Eine Zeit lang waren wir ganz schön knatterig“, sagt er, „aber jetzt geht es aufwärts. Friedrichstadt wird am 20. Februar rot wählen.“

Hoffnung schöpfen die Genossen, seitdem die letzten Umfragen das Regierungsbündnis Rot-Grün wieder vorne gesehen haben. Siegesgewiss sind einige von ihnen spätestens nach dem Mittwochabend mit Schröder: Über 3.500 Besucher waren gekommen – und das in einer Stadt, die alles andere als zentral liegt, in einen Kreis, aus dem der Gegenkandidat Peter Harry Carstensen stammt. Noch auf dem Parteitag Ende Oktober mussten die Genossen sich gegenseitig Mut zusprechen – mittels eines 100-prozentigen Wahlergebnisses für Ministerpräsidentin Heide Simonis. Verhalten fiel auch der Wahlkampfauftakt im Januar aus – trotz großer Halle und etwa 2.000 Besuchern.

Natürlich lockten dieses Mal die Gäste, allen voran Bundeskanzler Gerhard Schröder. Der hielt an dem Tag, der Deutschland offiziell fünf Millionen Arbeitslose bescherte, eine kämpferische Rede: „Es kann kein Zurück geben, nur ein Voran“ mit den Reformen. Und: „Der bequeme Weg ist für alle vorbei, nicht nur für eine Hälfte der Gesellschaft.“ Den Glanz der weiten Welt brachte Schröder in Husums Messehalle, sprach von der Flutkatastrophe, den Konflikten im Nahen Osten, Irak und Iran und erinnerte die Zuhörer daran, dass Deutschland schlimmere Zeiten als diese erlebt hatte.

Auch auf die Gefahr von rechts ging der Kanzler ein: „Es muss glasklar sein, dass Nazis nie wieder eine Chance haben dürfen.“ Politisch und juristisch werde er gegen rechte Gruppen vorgehen, sagte Schröder. Die Gäste, die vor der Veranstaltung in langen Schlangen auf Einlass gewartet hatten, klatschten begeistert. Auch die anderen Redner erhielten viel Beifall: Landesparteichef Claus Möller, der auf Plattdeutsch über Windenergie – die wichtigste Industrie in Husum – und die Chancen der SPD sprach, Sozialministerin Gitta Trauernicht, die im Wahlkreis Husum-Land gegen Carstensen antritt und vermutlich verlieren wird, aber durch die Liste gesichert ist, und natürlich Heide Simonis, das Zugpferd der Partei.

Die Ministerpräsidentin lobte die Basis: „Rot ist die dominierende Farbe im Wahlkampf.“ Höhnte in Richtung Gegner: „Für Carstensen spricht, dass er sich ohne Karte auf Eiderstedt nicht verfährt. Ich gebe zu, dass ist schwierig, aber es reicht nicht, um das ganze Land zu steuern.“ Sprach die inhaltlichen Knackpunkte an: gemeinsame Schule, die die SPD will, Sparkassen-Privatisierung, die die CDU will, das neue Steuerkonzept, das Gerhard Schröder nicht will.

Während der Simonis-Rede gab es im Saal Unruhe: Mitglieder der Initiative „Pro Eiderstedt“ hoben Plakate, um gegen das geplante Vogelschutzgebiet zu protestieren. Zehn Minuten hätten sie mit dem Kanzler reden wollen, sagte der Sprecher der Gruppe, Hans Meeder, aber sie hätten keinen Termin erhalten – daher der Protest. Die Ordner begleiteten den Tross hinaus, die Genossen blieben ungerührt.