So schön kann das Leben sein. Und so hässlich

Ohne Geld, aber mit viel Erlebnishunger trampen sechzehnjährige Pickelgesichter durch Europa, mit achtzehn trauen sich manche dann schon mal nach Australien, so die Eltern den Flug zahlen. Und spätestens mit 21 hat man seinen ersten Indientrip hinter sich gebracht. Erfahren, was Drogen und den Sinn von Sonnenschutzmitteln betrifft, geht man dann den Ernst des Lebens an, wird Anwalt oder Unternehmensberaterin und fährt pauschal nach Teneriffa.

Nicht so Geoff Dyer. Seine Adoleszenz lässt noch immer auf sich warten. Selbst mit 42 hat der englische Schriftsteller noch Hummeln unterm Allerwertesten. Fährt von New Orleans nach Vietnam oder verbringt bekifft wie ein 15-Jähriger ein wirres Wochenende in Amsterdam. So schön kann das Leben sein. Und so hässlich. Etwa wenn ein indisches Mädchen verzweifelt versucht, Touristen eine Dose Cola zu verkaufen, die aber keine wollen, weil sie schon eine gekauft haben.

Dyer schreibt in vielen kleinen Geschichten über Freud und Leid in der Welt der Reisenden, und das mit einem unterhaltsamen Sarkasmus. Das lässt sich auf der heimischen Couch bestens goutieren. Im letzten Drittel geht Dyer allerdings doch etwas die Luft aus. Der Gute bemerkt, dass er langsam zu alt wird für seine Art des Reisens, etwa wenn er auf einem Techno-Festival in Detroit kein Gras kaufen kann, weil ihn alle für einen Zivilbullen halten. Tja. Und dann ist da noch die Einsamkeit. All die Anbaggerversuche, all die Irrungen und Wirrungen vermeintlicher Lebens- und Liebesbeziehungen verfliegen wie Asche im Wind. Zum Beispiel während eines Sommers in Rom: „Ab und zu wählte ich ein, zwei Zahlen – nicht um jemanden anzurufen, sondern um mich zu vergewissern, ob es noch ging.“          CHRISTINE BERGER

Geoff Dyer: „Reisen, um nicht anzukommen“. Argon Verlag 2004, 285 Seiten, 19,90 Euro