Das öde Leben des Spielers

Ex-Fußballprofi Yves Eigenrauch meint: Es ist nicht legitim, von einem anonymen Spender Geld für ein gewonnenes Spiel anzunehmen. Fußballer dürfen nicht auf den Sieg des eigenen Teams wetten

VON YVES EIGENRAUCH

Eigenrauch (34) bestritt 229 Bundesligaspiele für Schalke 04. Uefa-Pokalsieger 1997

Nicht alle, aber einige Personen sind in ihn verwickelt: in den Skandal. Schiedsrichter, Spieler, Trainer – und neuerdings sogar (Geheim-)Agenten. Spieler also auch? Dass sie aktiv auf die jeweiligen Spielergebnisse eingewirkt haben sollen, um hieraus finanzielle Vorteile zu ziehen, verwundert. Allein schon, weil die in den Medien verlautbarten Summen in Bezug zu das anzunehmende Einkommen der Betroffenen als relativ gering angesehen werden können. Was aber in all dem Wust an „neu“ gewonnenen Informationen nicht verwundert, ist die Tatsache, dass Fußballer wetten. Auch heute noch.

Wetten auf Spielergebnisse im Eishockey waren beliebt, gleichfalls das Tippen auf den Sieger beim Tennisturnier oder beim Pferderennen. Aber auch das Wetten auf die Ergebnisse in den diversen Fußballligen Europas. Und das ist es auch heute noch! Was in den Achtziger- und Neunzigerjahren üblich war, daran wird sich im Profisport auch im noch jungen 21. Jahrhundert nicht viel geändert haben.

Ein Dasein ohne Sorgen

Gerne wollen wir dabei den Beteuerungen glauben schenken, dass nicht auf die Spiele mit eigener, aktiver Beteiligung gesetzt wurde, und falls doch, dann nur auf den Sieg der eigenen Mannschaft. Wenn bis vor vielleicht sieben Jahren auch der mögliche Geldgewinn den Spieler zum Wetten animiert haben könnte, so kann es sich dabei heute schwerlich um den primären Beweggrund handeln. Es ist mehr das Ausleben eines Hobbys, der Versuch, die Langeweile zu vertreiben, das Verlangen nach dem Kick der Spannung. Schließlich scheint es aktuell kaum etwas zu geben, das einen Profispieler veranlassen könnte, sich Sorgen zu machen. Er scheint völlig unbeschwert, abgesehen von der Ausnahmesituation, sich darüber Gedanken machen zu müssen, ob er beim nächsten Spiel spielen wird, und ob, wenn ja, auf seiner Wunschposition. Warum sollte er sich auch sorgen? Er verfügt über Ansehen, hat ein oder mehrere Autos, Häuser, eine Frau oder Freundin – hin und wieder auch da mehrere, ist gelegentlich gefragter Interviewpartner und verfügt über einen oder mehrere Berater.

Seien wir ehrlich! Überfiele uns in dieser Situation nicht auch ein Gefühl der Langeweile? Fehlte uns nicht etwas? Spielergebnisse zu tippen ist wie auf den Trödelmarkt gehen. Wir beschäftigen uns mit etwas, dass wir gerne machen, und hoffen insgeheim auf den ganz großen Clou, beispielsweise einen unbekannten Druck von Ernst-Ludwig Kirchner zu finden. Der Kick. Früher handelte es sich bei einem Wetteinsatz mal um tausend, fünftausend oder fünfzehntausend Mark, heute vielleicht um fünftausend oder fünfzehntausend Euro? Eine Menge Geld, dessen Verlust einige wenig oder gar nicht schmerzt, der aber dennoch komisch ist. Und spannend.

Gerne schließe ich mich dabei der häufig gehörten Einschätzung an, Fußballer müssten in ihrem Sein und Handeln grundsätzlich als Spiegelbild der Gesellschaft gesehen werden. Wie ist zu erklären, dass in Deutschland Millionen Menschen wöchentlich ihr Glück im Spiel suchen? Sei es bei den staatlichen Lotterien, auf den Pferderennbahnen, im Spielcasino oder bei den privaten Wettanbietern – deren Umsätze sprechen für sich. Warum sollten Fußballer nicht ebenfalls der Versuchung des Wettens bzw. Tippens erliegen?

Adam und die Versuchung

So oft ich hin und her überlege, ein plausibler Grund will mir nicht in den Sinn kommen. Vielleicht, weil Sie Verantwortung tragen und eine Vorbildfunktion haben sollen? Die hat der Familienvater auch. Doch schon Adam erlag der Versuchung.

So bleiben aus meiner Sicht abschließend eigentlich nur zwei Fragen zu klären. Einerseits, ob es legitim ist, von einem (anonymen) Spender Geld für ein gewonnenes Spiel anzunehmen, andererseits, ob es moralisch vertretbar ist, auf den Sieg des eigenen Teams zu wetten. Beides muss verneint werden. Auf den Sieg der eigenen Mannschaft zu setzen, wobei es dem Spieler während des Spiels ja möglich ist, in das Spielgeschehen aktiv einzugreifen, erscheint mir gegenüber den anderen Tippern unfair. Nicht zuletzt auch, weil der Spieler die aktuelle Form der Mannschaft und die Stimmung innerhalb dieser besser einschätzen kann als jeder noch so aufmerksame „Trainingskiebitz“. Das gehört sich einfach nicht.

Zur Annahme einer Prämie von Dritten: Grundsätzlich ist hiergegen ja nichts einzuwenden, jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen. Es erscheint fragwürdig, wenn eine Sonderprämie vor einem Spiel ausgelobt wird. Es ist darüber hinaus befremdlich, wenn die Prämie an die Spieler ausgezahlt wird und nicht in die Mannschaftskasse fließt – wie eigentlich üblich. Zudem: „Anonym“ sollte eigentlich immer einen faden Beigeschmack besitzen, schließlich dürfte es ja nichts zu verbergen geben – oder doch?