: FettWegShow statt Filmkultur
Nach einer neuerlichen drastischen Streichung öffentlicher Fördergelder stehen die niedersächsischen Filmfestivals vor einer ungewissen Zukunft. Einige sind bereits Geschichte, anderen droht der Verlust von Arbeitsplätzen – und eine massive Einschränkung des Programmangebots ist fast schon die Regel
von Thorsten Stegemann
Rückblende: Im Jahr 2003 beschloss die von den Ländern Niedersachsen und Bremen gegründete Mediengesellschaft nordmedia, gleich sieben Filmfestivals von ihrer Förderliste zu streichen. Den einen fehlte es an überregionaler Bedeutung, den anderen an inhaltlicher Profilschärfe – so das Ergebnis einer Evaluation, über die seinerzeit heftig diskutiert wurde.
Die Folgen dieser Entscheidung machten sich schnell bemerkbar. Einige kleinere Festivals konnten den Rückzug ihres wichtigsten Geldgebers nicht ausgleichen und mussten deshalb eingestellt werden. In Hildesheim, Oldenburg, Verden und Wilhelmshaven verschwanden Veranstaltungen, die viele Jahre lang nicht nur von öffentlichen Geldern, sondern auch vom Herzblut und Engagement ihrer Organisatoren gelebt hatten.
Damit nicht genug, wurde Ende 2004 die nächste Sparrunde eingeläutet. Weil der Norddeutsche Rundfunk sein langjähriges Engagement über die nordmedia aufgekündigt und den Rückzug aus der Festivalförderung beschlossen hatte, müssen in Zukunft sämtliche Veranstaltungen dramatische bis existenzgefährdende Einbußen hinnehmen.
Das gilt auch für das „Unabhängige FilmFest Osnabrück“, das sich ein bemerkenswertes gesellschaftspolitisches Profil erarbeitet hat. Zuletzt machte es im Dezember 2004 mit der Aufführung von „Stockholm 75 – The Story of A Former RAF Terrorist“ auf sich aufmerksam, einer schwedischen Dokumentation, die sich konsequent auf die Perspektive des ehemaligen RAF-Terroristen Karl-Heinz Dellwo einlässt. 2003 stand das „Unabhängige FilmFest“ schon vor dem Aus, doch nachdem die nordmedia zunächst die Streichung der kompletten Fördergelder in Höhe von 55.000 Euro angekündigt hatte, beließ es die Mediengesellschaft nach entsprechenden Protesten und einer nochmaligen Überarbeitung des Programmangebots bei einer Kürzung von 15.000 Euro. 2004 erzielte das FilmFest mit über 4.500 Zuschauern einen neuen Besucherrekord.
Ob es diesen noch einmal übertreffen und im Herbst sein 20-jähriges Jubiläum feiern kann, steht jedoch in den Sternen, denn für das laufende Jahr wurde die Unterstützung seitens der nordmedia wieder komplett gestrichen. Damit sind zwei Halbtagsstellen und das gesamte Programmangebot ernstlich bedroht. „Wir haben zwar einige Rücklagen, aber die sind natürlich endlich“, sagt Organisatorin Birgit Müller. „Wenn es uns nicht gelingt, alternative Geldquellen zu erschließen und mindestens 112.000 Euro aufzutreiben, gehen zwei Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit.“
Das ebenfalls in Osnabrück beheimatete „European Media Art Festival“ muss sich vorerst keine existenziellen Sorgen machen, bekommt statt 215.000 aber nur noch 155.000 Euro. „Ohne personelle und programmatische Einschnitte können wir das selbstverständlich nicht kompensieren“, sagt Festival-Leiter Alfred Rotert, für den die Sparmaßnahmen kaum nachvollziehbar und im europäischen Vergleich ohne Beispiel sind: „Unsere Kollegen in anderen Ländern müssen bisweilen auch mit Kürzungen leben“, so Rotert, „aber nicht annähernd in diesen Dimensionen.“
Die Niedersachsen schon, und so sieht die Situation in Oldenburg ganz ähnlich aus. Die „Oldenburger Filmtage“ haben das Jahr 2003 nicht überlebt, wohingegen das Internationale Filmfest Oldenburg weiter unterstützt wird. Allerdings nur mit 80.000 Euro, während im vergangenen Jahr noch 108.000 Euro gezahlt wurden. Festivalleiter Torsten Neumann versucht deshalb, so schnell wie möglich neue Geldquellen zu akquirieren. Mit dieser Notwendigkeit sehen sich auch die Veranstalter in Göttingen konfrontiert. Die Unterstützung für das Historische Filmfestival von bislang 13.000 Euro wurde komplett gestrichen, die Europäischen Länderfilmtage bekommen 7.000 Euro weniger. Für Jochen Coldewey, den Leiter der nordmedia-Förderung, war es aus finanziellen Gründen zwingend notwendig, in den meisten Fällen nur noch ein Festival pro Stadt zu unterstützen. „Wir müssen 2005 selbst 980.000 Euro einsparen. Diese Auflage erfüllen wir durch Reduzierung der Personal- und Sachkosten und geben sie nur zu einem geringen Teil an die Projektförderung weiter. Die neue Förderpolitik des NDR, der sich aus der Festivalunterstützung zurückzieht, kann aber natürlich nicht ohne Folgen bleiben.“ Coldewey legt Wert auf die Feststellung, dass mit den aktuellen Sparbeschlüssen „keine inhaltlichen Wertungen“ verbunden sind und die weiterhin geförderten Festivals eine „gute Chance auf Kontinuität“ haben.
Volker Kufahl, Chef des Filmfestes Braunschweig, hat mittlerweile reichlich Einspar-Erfahrungen gesammelt. „Ich bin seit vier Jahren hier beschäftigt und kompensiere alljährlich Verluste in fünfstelliger Größenordnung. Sei es durch Streichungen der nordmedia oder den Wegfall von Sponsoren und kommunalen Geldern“, sagt Kuhfahl. Nach seiner Einschätzung geht die gesamte Film- und Medienpolitik des Landes in eine falsche Richtung: „Ich halte es für untragbar, dass Sendungen wie „Thürnaus FettWegShow“ von der nordmedia gefördert werden, während zahlreiche filmkulturelle Projekte auf der Strecke bleiben.“
In der Tat drängt sich die Vermutung auf, dass die zumeist alternativen, sozial- und gesellschaftskritischen Filmfestivals seit dem Regierungswechsel im Jahr 2003 immer schlechtere Karten haben. Kuhfahls Kollege Burkhard Inhülsen bekommt für das Internationale Film Festival up-and-coming in Hannover, das bereits vier deutsche Oscar- Preisträger hervorgebracht hat, 65.500 Euro statt der beantragten 148.000. Trotzdem wollen er und seine Mitstreiter ein Zeichen setzen. Das bislang nur alle zwei Jahre veranstaltete Nachwuchsfestival, zu dem beim letzten Mal 2620 Film aus 43 Ländern eingeschickt wurden, soll künftig jedes Jahr stattfinden.