: Regierung sitzt nach
Die baptistischen Schulverweigerer wollen eine eigene Schule gründen. Behörden machen das Spiel auf Zeit mit
Die Schulverweigerer aus Ostwestfalen-Lippe haben Zeit gewonnen. Mit einer Anfrage an die Detmolder Bezirksregierung nach Informationen zur Gründung einer privaten Grundschule, geben sich die Behörden momentan zufrieden. Die Schulpflicht wird für die Kinder nicht durchgesetzt, obwohl ein Privatschulantrag der Baptisten wohl abgelehnt werden müsste.
Denn die verbindlichen Lehrpläne in NRW verpflichten private Schulen zur Durchführung von Sexualkundeunterricht, zudem verlangt das Schulministerium die Aufklärung über andere Religionen, die Durchführung von Sportunterricht, auch Musik muss an den Grundschulen in privater Trägerschaft gelehrt werden. All das lehnen die aus Kasachstan stammenden Freikirchler baptistischen Glaubens ab und verweigern ihren Kindern die Schulpflicht.
Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in NRW, Vertretungsorganisation der Grund-, Hauptschul- und Realschullehrer, kritisiert die Landesregierung. „Ich habe für das Herumgezögere, das jetzt ein halbes Jahr lang andauert, kein Verständnis“, sagt er. Auch dass die „Fundamentalisten im Streit um die Schulpflicht die Beteiligten Lehrer immer wieder ungestraft beschimpfen“ dürften, ärgert den Gewerkschaftsvorsitzenden. Baptistische Aktivisten hatten den Lehrern vorgeworfen, deren Sexualkunde-Unterricht führe zu „Hurerei und Unzucht“, Religionsunterricht werde zu „esoterischen Experimenten“ genutzt. Allerdings müssten diese Lehrinhalte auch in einer Privatschule gelehrt werden, damit sie eine Genehmigung erhalten könne, sagt Stephanie Paeleke, Sprecherin des Schulministeriums in NRW. „Musik, Sport Religion und Sexualkunde-Unterricht ist an den Grundschulen in Nordrhein-Westfalen verpflichtend“, so Paeleke.
Die Bezirksregierung, die einen Antrag auf Gründung einer Privatschule bearbeiten müsste, gibt sich mit der Zusage der kasachischen Schulverweigerer, ihre Kinder zukünftig in einer eigenen Schule unterrichten zu wollen, vorerst zufrieden. Man müsse sich über das weitere Vorgehen in den nächsten Tagen beraten, heisst es aus der Pressestelle der Bezirksregierung. Denn schließlich will die Regierung keine Bilder von Schülern, die gegen ihren Willen und dem ihrer Eltern von Polizisten in die Schule gezerrt werden, im Fernsehen sehen. Angeblich seien nämlich schon amerikanische CNN-Reporter im Umfeld der Baptisten gesehen worden, ist aus Behördenkreisen zu hören.
Realistischer ist wohl, dass die Privatschule für die Fundamentalisten nicht kommt. „Entweder die Schulverweigerer stellen einen Antrag, der abgelehnt wird, oder sie bekommen eine Schule, die sie selbst nicht wollen“, interpretiert VBE-Mann Udo Beckmann das Schulgesetz. KOK