Wir können auch anders

Naturschutz bedeutet Streit – überall in Schleswig-Holstein. Überall? Nein. In einem kleinen Dorf zwischen Eider, Treene und Sorge lieben die Bauern Uferschnepfe und Kiebitz. Bericht von einer Ausnahmeerscheinung im nördlichsten Bundesland

Aus MeggerdorfEsther Geißlinger

Der Schilderwald wächst und treibt Blüten entlang den Straßen der Eider-Treene-Sorge-Region und auf der Halbinsel Eiderstedt. „Hier hat der NABU uns gezeigt, wie man die Vogelwelt vertreibt“, steht auf einem Schild. „Müllers Wille –Totenstille“, schimpft eine Tafel gegen den grünen Umweltminister des Landes. „FKK statt FFH“, plädiert eine andere für nackte Körper statt des Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiets.

Es wird mit harten Worten und harten Bandagen gekämpft gegen die Pläne des Landes, weite Teile Eiderstedts unter Schutz zu stellen und sie für das Natura-2000-Programm nach Brüssel zu melden. Aber im Schatten des Schilderwaldes, abseits der Protestveranstaltungen und Gerichtstermine, hat sich ein kleines Modellprojekt entwickelt, in dem Bauern, Naturschützer und Land zeigen, dass es auch anders geht. So still und klammheimlich ist das passiert, dass sogar der Sprecher des Umweltministeriums auf Anhieb nichts mit dem Namen anfangen kann: „Meggerdorfer Feuerwehrtopf?“, fragt Michael Rittmeier. „Da muss ich mich erst einmal schlau machen.“

Der Meggerdorfer Feuerwehrtopf ist vor rund fünf Jahren entstanden – der Name bedeutet, dass mit dem im Topf gesammelten Geld schnell eingegriffen werden soll, wo es nötig ist. Entwickelt haben ihn drei örtliche Naturschutzverbände im Raum Stapelholm, dem dünn besiedelten Kernland zwischen den drei Flüssen Eider, Treene und Sorge.

Die Grundidee des Feuerwehrtopfes ist einfach: „Wir richten uns nach den Vögeln“, erklärt Dagmar Bennewitz. Die Landwirtin ist Mitglied des Meggerdorfer Naturschutzvereins. Und sie ist die treibende Kraft des Projekts. Sich nach den Vögeln zu richten heißt: Statt eine komplette Fläche dauerhaft unter Schutz zu stellen, schauen die Bauern im Frühjahr nach, wo sich Kiebitz, Uferschnepfe oder andere gefährdete Arten zum Brüten niedergelassen haben. Diese Wiese wird zum Schutzgebiet erklärt – bis zum Ende der Brutzeit. Der Landwirt erhält dafür Geld. Anfangs sammelten die Naturschutzvereine dafür Spenden und teilten sie aus, inzwischen gibt es eine Förderung des Landes: Rund 83.000 Euro stellt das Umweltministerium in diesem Jahr zur Verfügung. Davon entfallen fast 40.000 Euro auf die wissenschaftliche Begleitung: Schließlich muss bewiesen werden, dass diese Art des Vogelschutzes etwas bringt.

Tatsächlich ist sie sehr erfolgreich. Das haben die Kontrollen der Naturschutzstation Bergenhusen, dem Michael-Otto-Institut im Naturschutzbund (NABU), ergeben. „Wir sind in das Projekt hineingewachsen“, sagt Heike Köster. Zuerst habe es sich fast zufällig ergeben, dass die NABU-Mitarbeiter im Meggerkoog Vögel zählten. Seither werden die Gelege des Gebiets jedes Jahr erfasst. Hilfe leisten dabei die Bauern selbst: „Das macht denen richtig Spaß“, weiß Kösters Kollegin Julia Jacobsen. Eine Ausnahmeerscheinung: Auf Eiderstedt würden einige Bauern am liebsten leugnen, dass seltene Vögel auf ihren Wiesen brüten.

In Meggerdorf nehme die Kiebitz-Population sogar zu, berichtet Köster. „Das ist europaweit ungewöhnlich.“ Im Jahr 2004 standen 15 Prozent der Koog-Fläche unter Schutz, in diesem Bereich nisteten 75 Prozent aller Wiesenvögel des untersuchten Gebietes: „Das zeigt, wie gut die finanziellen Mittel gebündelt werden können.“ Mit diesen Ergebnissen in der Tasche machten sich Bennewitz und ihre Mitstreiter auf nach Kiel, um das Ministerium zu überzeugen.

Von den Verhandlungen mit dem Land weiß Bennewitz nur Gutes zu berichten: „Wir haben uns auf einer Augenhöhe getroffen.“ Nach dem noch immer nicht ausgestandenen, heftigen Streit um die flächendeckenden Schutzgebiete sei dies die „erste Nagelprobe“ gewesen, „ob wir zusammenarbeiten können“. Resultat: Das Land hat das Modell anerkannt und meldet es nach Brüssel. Im kommenden Jahr werden dann die neuen Richtlinien offiziell greifen. Das freut auch Umweltminister Klaus Müller: „Von Anfang an haben wir auf freiwilligen Vertragsnaturschutz gesetzt“, erklärt Sprecher Rittmeier und wird lyrisch: „Das ist der Müllersche Dreiklang: Aus den Noten Lebensmittelproduktion, erneuerbare Energie und Naturschutz kann der Landwirt eine Melodie komponieren, die eine Ouvertüre für die Zukunft bietet.“ Nicht nur der Schilderwald treibt kurz vor der Wahl erstaunliche Blüten.