: Die Angst vor dem Mann
Vier Frauen wurden seit Oktober von ihren türkischen Männern getötet. Polizei betont: Keine Tendenz erkennbar. Doch Migrantinnen sind verängstigt. Anwältin: Türken sollen positives Vorbild abgeben
VON PLUTONIA PLARRE UND WALTRAUD SCHWAB
Die Häufung von Morden an jungen Migrantinnen verunsichert türkisch- und kurdischstämmige Mädchen. Aus Angst würden sie sich seltener trauen wegzulaufen, sagte die Mitarbeiterin einer Berliner Kriseneinrichtung für Mädchen aus der Türkei der taz. Sie seien vorsichtiger und kalkulierten Angriffe ein. Die Kriseneinrichtung selbst will ebenfalls nicht mehr genannt werden, denn auch die Mitarbeiterinnen spürten, dass das Risiko zugenommen habe.
Seit Oktober 2004 sind in Berlin vier Frauen durch die Hand ihrer türkischen Exmänner ums Leben gekommen. Stefanie C. war gebürtige Deutsche, Semra U., Melek E. und Meyrem Ö. waren gebürtige Türkinnen. Die beiden Erstgenannten hatten ihre Männer bereits verlassen, Melek E. hatte es angekündigt, im Fall von Meyrem Ö. war der Mann kurzzeitig aus der Wohnung ausgezogen, aber zurückkehrt und hatte die Frau getötet. Danach floh er in die Türkei. Die übrigen Täter sitzen in Untersuchungshaft. Es gibt Ermittler, die angesichts dieser Häufung von „türkischer Scheidung“ sprechen. Außenstehenden erscheint das zynisch. Intern wird damit gesagt, dass es sich um das gleiche Schema handelt: Die Frau versucht, sich von ihrem Mann frei zu machen (siehe Kasten).
Der Leiter der Mordkommissionen, André Rauhut, warnt davor, aus der Tathäufung eine Tendenz abzuleiten: „Das ist Zufall.“ Bei Tötungsdelikten gebe es große Schwankungen und Wellenbewegungen. Eine seriöse Aussage könne nur gemacht werden, wenn man die Tötungsdelikte der letzten zehn Jahre untersuche, bestätigt auch Oberstaatsanwalt Willi Wiedenberg, Leiter der Abteilung für Kapitalverbrechen. Um das zu ermitteln, müsste aber jede Akte einzeln aufgeklappt werden, weil keine Statistik nach Herkunft oder Nationalität von Opfer und Täter geführt werde. Tödliche Eifersuchtsdramen gebe es in allen Ethnien, bei Deutschen genauso wie bei Migranten, warnt der Oberstaatsanwalt vor einer einseitigen Sichtweise.
Die Türkinnen sind dennoch beunruhigt. So bestätigt Seyran Ates, Rechtanwältin für Familien- und Strafrecht, dass die Angst bei ihren Mandantinnen umgehe. Ates setzt sich vehement für die Strafverfolgung von Zwangsheirat ein. Selbst Frauen, die vor Jahren geschieden wurden, seien nicht vor Angriffen ihrer Exmänner geschützt.
Eine Mandantin, die gestern in ihrer Praxis war, habe ihren Exmann wie folgt zitiert: „Du siehst, was Frauen passiert, die sich trennen. Sie werden umgebracht. Das Gleiche kann dir auch passieren. Was andere können, kann ich auch. Ich werde dich niemals einem anderen überlassen!“ Die Frau habe Angst, und Atex hat Angst um die Frau. Selbst die Polizei habe von einer Anzeige abgeraten, um die Sache nicht eskalieren zu lassen. „Hier sehen wir, dass wir zu wenig Opferschutz haben. Wir haben keine flankierenden Maßnahmen für das Gewaltschutzgesetz.“ Ates fordert nun Konsequenzen innerhalb der Migrantencommunity: „Die kurdischen und türkischen Männer, die solche Taten verabscheuen, müssen aktiv werden gegen diesen Wahn und diese Abschlachterei von Frauen und als positive Vorbilder in die Öffentlichkeit treten.“