: Die Ich-AG Gabriel – glücklos und dubios
Niedersachsens Exministerpräsident Sigmar Gabriel legt ausführlich Beichte über seine anrüchigen VW-Geschäfte ab. Doch von politischen Konsequenzen will der Sozialdemokrat nichts wissen. Er träumt lieber vom nächsten Wahlsieg
HANNOVER taz ■ Der niedersächsische SPD-Fraktionschef und gescheiterte Unternehmer Sigmar Gabriel hat im Zusammenhang mit seiner Beratungsarbeit für Volkswagen Fehler eingestanden – allerdings keine juristischen Verfehlungen. Gabriel, der nach seiner Wahlniederlage 2003 mit einem 100.000-Euro-Auftrag von VW eine Firma gegründet hatte, übte sich am Montag stundenlang vor SPD-Gremien in Selbstkritik. Politische Konsequenzen will der Exministerpräsident aus seinem kurzzeitigen und finanziell nicht allzu ergiebigen Ausflug in das Gewerbe der Berater und Lobbyisten allerdings nicht ziehen.
Im Gegenteil: Gabriel kündigte sogar an, dass er bei der Niedersachsenwahl 2008 erneut für die SPD antreten will. Als ausdrücklichen Fehler bezeichnete er, dass er sich „nach der Wahlniederlage bei der Landtagswahl Ende 2003 nicht schnell genug zwischen Politik und Selbstständigkeit entschieden“ habe.
Wie nun herauskam, fuhr Gabriel nach dem Verlust des Ministerpräsidentenamtes zweigleisig. In der SPD-Fraktion reklamierte er für sich die Rolle des Oppositionschefs. Parallel versuchte der Sozialdemokrat sich als selbstständiger Unternehmer im Beratungsgewerbe.
Er gründete gemeinsam mit einem befreundeten Rechtsanwalt in Halle CoNeS GBR und verschafft dem jungen Unternehmen den ersten Großauftrag ausgerechnet bei Volkswagen, wo er kurz zuvor noch als Vertreter des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat gesessen hatte. Der VW-Auftrag machte laut Gabriels rund zwei Drittel des Auftragsvolumens der Firma aus.
Der SPD-Politiker will anschließend für VW europapolitische Analysen gefertigt haben. Die VW-Geschäfte dürften ihm 2004 rund 35.000 Euro eingebracht haben, sagte Gabriel. Im Jahr zuvor habe er hingegen an seiner neuen Firma noch nichts verdient. Ohne Einkünfte will Gabriel auch aus einer Firmenbeteiligung geblieben sein. Mit dem ehemaligen Bayern-Profi Thomas Strunz und einem weiteren Partner hatte er eine – offenbar erfolglose – Agentur zur Vermittlung von Profisportlern gegründet. Beteiligungen an weiteren Unternehmen habe er nie gehalten, versicherte Gabriel.
Seiner Partei, die über ihn murrt, aber nicht seinen Rücktritt fordert, hat der einstige Hoffnungsträger durch die zumindest anrüchigen Geschäftsbeziehungen zu VW erheblichen Schaden zugefügt. Zwar hatte Gabriel seine Nebentätigkeit als Selbstständiger ordnungsgemäß beim Landtagspräsidenten angemeldet. Weil er aber vorwiegend für VW arbeitete – was niemand wusste –, konnte er in der Affäre um die unerlaubten Nebentätigkeiten der beiden SPD-Landtagsabgeordneten Ingolf Viereck und Hans-Hermann Wendhausen seiner Aufgabe als Fraktionschef nicht nachkommen und nicht für personelle Konsequenzen sorgen. JÜRGEN VOGES