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Archiv-Artikel

Schröder muss Wasser lassen

Vor gut zwei Jahren versprach der Kanzler mehr Schutz vor Hochwasser und gewann damit die Wahl. Jetzt droht das Gesetz am Widerstand der eigenen Genossen in Rheinland-Pfalz zu scheitern

BERLIN taz ■ Kanzler Gerhard Schröder (SPD) steht vor einer empfindlichen Schlappe. Das Hochwasserschutzgesetz der Bundesregierung droht kommende Woche im Bundesrat zu scheitern – dabei ist es nicht einmal zustimmungspflichtig. Doch weil die SPD-geführten Bundesländer Brandenburg und Rheinland-Pfalz quer schießen, könnte eine Zweidrittelmehrheit gegen das Gesetz zustande kommen – die es zu Fall brächte.

Das Hochwassergesetz soll die Schäden durch künftige Fluten für Umwelt und Menschen mindern helfen. Zwei Kernforderungen sind das Verbot von Ackerbau sowie von neuen Bauflächen in möglichen Überschwemmungsgebieten. Doch genau dies wollen Brandenburg und Rheinland-Pfalz aufweichen. Um das Gesetz noch zu retten, hat die Bundesregierung inzwischen beim Ackerbau eingelenkt: Der soll nun durch Länderrecht geregelt werden, wie die taz aus Koalitionskreisen erfuhr. Brandenburg hat deshalb dem Vernehmen nach eingelenkt.

Rheinland-Pfalz dagegen beharrt auf der Möglichkeit, in Ausnahmefällen flussnahe Baugebiete neu zu überplanen. „Wir wissen, dass wir in der Praxis Spielraum brauchen“, erklärt die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) der taz. „Wir reden über ganz wenige Ausnahmen.“ Dies beträfe etwa Neugestaltungen von Industriebrachen oder Parkanlagen. „Man kann nicht die ganze Bundesrepublik mit Vorschriften überziehen“, so Conrad, „die in Einzelfällen zu großen Härten führen.“

Aus Sicht der Bundesregierung läuft die von Rheinland-Pfalz vorgeschlagene Lösung jedoch schlicht auf „neue Bauten gerade in flussnahen Kommunen hinaus“. So heißt es in einer internen Bewertung, die der taz vorliegt: „Umfangreiche neue Schäden wären vorprogrammiert. An der derzeitigen Problemlage würde sich nichts ändern.“ Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) verteidigt sein Gesetz seit Wochen mit seinem Credo: „Wer heute in Überschwemmungsgebieten baut, hat nichts gelernt.“

Das Hochwasserschutzgesetz gilt als Konsequenz aus der verheerenden Elbeflut von vor zweieinhalb Jahren. Rund 10 Milliarden Euro Kosten hatte die Flut verursacht, der Kanzler hatte eigens zur Finanzierung die Steuerreform um ein Jahr verschieben müssen. Eine Woche vor der Bundestagswahl 2002 verabschiedete die Regierung ein „Fünf-Punkte-Programm zum Hochwasserschutz“. Damit und mit seiner Haltung gegen den Irakkrieg gewann Rot-Grün die Wahl.

In der Bundes-SPD ist man zunehmend genervt von den Genossen aus Rheinland-Pfalz. 41 Stunden wurde bereits in einer Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses verhandelt. Dazu kamen diverse Einzelgespräche. Kommenden Mittwoch steht das Gesetz wieder auf der Tagesordnung des Vermittlungsausschusses, am Freitag soll es eigentlich im Bundesrat behandelt werden. „Die Rheinland-Pfälzer sind ein Riesenproblem“, heißt es aus Berliner SPD-Kreisen. „Die sehen sich in ihrer Koalition mit der FDP bestätigt, wenn sie sich mit den Grünen im Bund auseinander setzen.“ Das Hochwassergesetz sei allerdings nicht nur eine Sache Trittins, sondern habe die volle Rückendeckung von Gerhard Schröder wie Parteichef Franz Müntefering. Der grüne Fraktionsvize im Bundestag, Reinhard Loske, fordert die SPD-geführten Länder auf, sich „gut zu überlegen, ob sie dem Kanzler in den Rücken fallen wollen“.

Auch einige Unionsländer könnten mit dem Gesetz leben, so die Einschätzung des schleswig-holsteinischen Umweltministers Klaus Müller (Grüne), der das Gesetz von Anfang an unterstützte: „Nur Rheinland-Pfalz nicht.“ Solange aber die SPD-Reihen nicht geschlossen seien, werde die Union sich genüsslich zurücklehnen und bei ihrer Ablehnung bleiben.

„Häuser, Fabriken oder Straßen in Überschwemmungsgebieten neu zu bauen, das muss auf jeden Fall ein Tabu bleiben“, urteilt der Potsdamer Geoökologe Axel Bronstert im taz-Interview. Wenn sich Brandenburg und Rheinland-Pfalz durchsetzten, habe das Hochwasserschutzgesetz seinen Namen nicht mehr verdient. MATTHIAS URBACH

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