CHRISTIAN SEELER, INTENDANT
: Verführender Unterhalter

■ Versteht sich als „erster Kartenverkäufer“ und hat immer ein Ohr für sein Publikum. Foto: privat

Seit 13 Jahren lenkt Christian Seeler die Geschicke des Hamburger Ohnsorg-Theaters. Als 36-Jähriger wurde der gebürtige Hamburger Intendant des Traditionstheaters in den großen Bleichen und sollte es aus der damaligen Krise führen. Bereits nach kurzer Zeit gewann sein durchmischtes Konzept aus unterhaltenden und ernsteren Stücken die Herzen des Publikums und brachte das Volkstheater zurück auf Erfolgskurs. Dieser Weg wurde jetzt mit der Vergabe des mit 35.000 Euro dotierten Pegasus-Preises durch den texanischen Ölkonzern Exxon vergoldet.

Dabei begann der Arbeitsalltag des jungen Intendanten fernab der Bühne mit einer Ausbildung zum Kaufmann bei dem Hamburger Getreidehändler Alfred C. Toepfer. Doch die buddenbrooksche Lehre langweilte Seeler, er kehrte dem Außenhandel den Rücken und durchlief ab 1980 ein zweijähriges Praktikum am Ernst Deutsch Theater. Unter Wolfgang Borchert entdeckte er die Lust am Schauspiel und sein Talent in der Theaterverwaltung. „Alle hatten gehörigen Respekt vor Borchert, aber ich habe sehr viel von ihm gelernt“, erinnert sich Seeler. „Ja dann spiele ich die Rolle eben selbst!“, sei einer der donnerschallgleichen Sätze, die Borcherts Führungsstil prägten. 1982 stand Seeler dann erstmals auf der Bühne des Ohnsorg-Theaters, in einer kleinen Nebenrolle in „Der Himmel ist hoch“. Erst 1992 verließ er das Theater als kaufmännischer Direktor – „und 1996 wurde ich als Intendant wieder zurückgeholt“. Ihm gehe es darum, schöne Geschichten zu erzählen, „wir verstehen uns als aktuelles Volkstheater“.

Die Jury zeigte sich besonders von der Inszenierung „Misery“ von Klaus Engeroff beeindruckt und lobte Seelers Mut, diesen Thriller aufzuführen. Mutig sei es, da man sich mit dem Krimi gegen die Erwartungshaltung des Publikums richte, so der Intendant. „Doch bereits Richard Ohnsorg hatte in den 20er Jahren auch ernsthaftes Volkstheater vor Augen“, sagt Seeler. „Verführung durch Unterhaltung“ nennt er dieses Konzept. „Nach einem Stück wie Misery muss man Teile des Publikums wieder versöhnen“, sagt Seeler, „mit Inszenierungen wie dem Lehmpott der jetzt gerade läuft.“ JV