: Spiel abseits des Stadions
Der Blick auf den Ball ist nicht so wichtig, und Fan einer Mannschaft sollte man besser auch nicht sein. Der normale Alltag in einem Hamburger Wettbüro vor dem Bundesliga-Heimspiel am Wochenende
Die Kippe glimmt, der lange Aschestrang senkt sich in Richtung Tischplatte. Gebannt werden die Monitore an der Wand beobachtet. Dort reiht sich eine Zahlenkolonne an die nächste. Gesprochen wird kaum zwischen den Männern, die sich regelmäßig im Wettbüro nahe der Sternschanze in Hamburg treffen und namentlich nicht genannt werden wollen.
Es ist die Ära nach dem Fall Hoyzer, der den Fußball und die Wettbranche im gedämpften Licht einer Zockerkaschemme beleuchtet. Hier ist das Licht neongrell. Die beiden Männer grummeln über ein Ergebnis der israelischen Liga. Hapoel Bnei Sakhnin gegen Bnei Yehuda Tel Aviv. Sie schauen sich das Spiel auf dem Monitor an, ohne einen Ball zu sehen. Es gibt nur Zahlen. Noch steht es 0:0. Nein, Profiwetter seien sie nicht, aber etwas Kleingeld ziehen sie schon aus der Spielerei mit dem Sport. „So werden die Spiele noch interessanter.“ Es hört sich an, als ob der letzte Kick in der Wette auf ein Team und ein Ergebnis läge. Nur so könne man sich auf ein Spiel der israelischen Liga einlassen.
Aber Fan werde man natürlich nicht. „Das ist das gefährlichste für einen Wetter“, grummelt der eine und guckt konzentriert auf den Monitor, wo sich weiterhin nichts tut. Nur Informationen und Quoten sind relevant für die Zahlensportfreunde. Ins Stadion gehen sie nur selten. Denn ständig verändern sie ihre Tipps bei den Livespielen direkt. Mitten im Spiel. Fällt noch ein Tor? Gibt es eine gelbe Karte? Dazu müssen sie zu Hause vor dem Computer sitzen.
Tausende Wettanbieter bieten auf alles einen schnellen Euro an, was man sich vorstellen kann. „Hier im Wettbüro entspannen wir uns manchmal nach der Arbeit.“ Sie trinken Kaffee, rauchen und unterhalten sich mit dem Buchmacher über heiße Tipps für das kommende Wochenende. Auf Hunderennen, Dartwettbewerbe und Poolspiele kann gesetzt werden. „Seitdem einige norddeutsche Wettbüros in einer Ausgabe der Sportbild abgelichtet wurden, kommen ständig Journalisten“, mault der Besitzer. Ihm geht der negative Hype auf die Nerven. Die Existenz wird es ihn nicht kosten. „Die Leute die spielen, spielen weiter“, sagt er. Es seien sogar einige neugierig geworden. „Vielleicht im Glauben, auch schnell ein paar Scheine zu verdienen“, grinst er.
Dem ist natürlich nicht so. Mit dem Setzen auf das richtige Ergebnis ist es wie bei der Börse. „Von zehn Pferden, die du an den Start schickst, kommen nur zwei ins Ziel“, beschreibt der Besitzer. „Und die müssen fett sein.“ Sonst hat man am Ende mehr investiert, als gewonnen.
Ein Risiko, welches die so genannte „Wett-Mafia“ minimieren wollte. Den Skandal sehen die Anwesenden allerdings nicht dramatisch. Dass es raffgierige Menschen gibt, die das Spiel zu manipulieren versuchen, sei doch nichts Neues. Deshalb lassen sie sich auch beim Sprechen nicht von dem Blick auf die Monitore ablenken.
Nur kurz drehen sie sich um, als ein junger Mann reingerannt kommt und ihnen mitteilt, dass der HSV auf ein erneutes Pokalspiel hoffen könne. In der Verhandlung um das manipulierte Pokalspiel zwischen dem SC Paderborn und dem Hamburger SV hat das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes ein weiteres Spiel des HSV im Cup-Wettbewerb vorgeschlagen. Ein Ergebnis, das auch die Hamburger Wetter freut. Ein Spiel mehr, auf das sie setzen können. „Vielleicht schaue ich mir das dann auch im Fernsehen an“, sagt einer der beiden stoischen Gestalten, bevor er sich auf den Heimweg macht. Denn es liegt ein langes Wettwochenende vor ihm. OKE GÖTTLICH