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Archiv-Artikel

Alles nur Dreck an der Wand?

Mitnichten: Lehm riecht nach Wald und ist gesund, weil er Schadstoffe aufnimmt. Außerdem übersteht er Jahrhunderte – was zu beweisen war

Von dab

Jemens Hauptstadt Sana’a ist aus Lehm und Ziegenmist erbaut – und trotzt seit Jahrhunderten Wind und Wetter. Und auch in Japan ist das Verputzen von Häusern mit Lehm eine uralte Tradition. In den letzten Jahren erlebt der Baustoff Lehm auch in unseren Breitengraden langsam, aber stetig eine Renaissance.

Wie bei so vielen wieder angewandten ökologischen Bau- und Rohstoffen ist auch beim Lehm die Restaurierung denkmalgeschützter Bauwerke Auslöser für eine Neuentdeckung. Während früher wegen der leichten Verfügbarkeit Lehm zum Bauen verwendet wurde, bestimmen nun eher raumklimatische und ästhetische Aspekte die Entscheidung für diesen natürlichen Baustoff. „Lehm nimmt zum Beispiel auch Gerüche und Schadstoffe auf “, weiß Gerald Kampen, Geschäftsführer der Bremer Firma Trendwende. Er kennt schon Fälle, in denen Hausbesitzer aus gesundheitlichen Gründen – zum Beispiel bei Allergien – auf Lehm umstiegen und seither keine Probleme mehr haben. Zudem: „Wenn man in einen lehmverputzten Raum kommt, riecht es so wunderbar nach Wald.“

Tatsächlich ist die einfachste und billigste Variante Lehm-Putz (für einen Quadratmeter 20-Millimeter-Putz muss man zwischen 22 und 24 Euro berappen). Die Oberflächen eines Lehm-Putzes sind offenporig; sie absorbieren wesentlich mehr Luftfeuchte als andere Materialien, der Lehm ist reich an hoch aktiven Tonmineralien. Was bei intensiver Lichteinstrahlung übrigens auch schön aussieht.

Angesichts des Trends zu Niedrigenergie-Dämmung mit geringen Luftwechselraten wird diese Raumluftfilter-Qualität wohl immer mehr an Bedeutung gewinnen, beurteilt Kampen die Tendenz der Zukunft. Sichtbare und fühlbare Schönheit des Lehms werde beispielsweise durch einen Stroh- und Pflanzenfaseranteil erreicht.

Teurer sind hingegen Bauplatten, die aus Schilfrohr, Lehm und Jutematerial bestehen. Die kosten das Drei- bis Vierfache einer im Handel üblichen Gipsbauplatte. Lehmbausteine sind zwar erschwinglicher, beim Bauen allerdings nicht so leicht zu händeln, da sie in eine Art Spezialgerüst eingebracht werden müssen. Prinzipiell gilt: Lehmbau ist beratungsintensiv – und noch wissen nicht viele Baustoffhändler darüber Bescheid. Denn Lehm ist noch längst keine Massenware. „Der Markt wächst, aber nur langsam“, klagt Kampen. „Bundesweit gibt es bisher keine verlässlichen Zahlen für ökologisches Bauen mit Lehm.“

Dabei vermutet Lehmexperte Kampen, dass runde zehn Prozent der Bevölkerung Interesse hätte an natürlichen Rohstoffen, aber nur ein Prozent davon wisse auch tatsächlich darüber Bescheid. Es mangele also an Aufklärung. Wahrscheinlich glauben viele wirklich, Lehm sei nur profaner Dreck an der Wand.

Vom Gegenteil ist jedenfalls die Bremer Innenarchitektin Miriam Hermsen überzeugt. Sie nutzt Lehm zur Fassadengestaltung: „Er schafft eine warme, angenehme Atmosphäre – irgenwie lebendig.“ dab