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Archiv-Artikel

Die Deutsche Bank bleibt am Pranger

Die Debatte um die Nummer eins der deutschen Finanzinstitute hat einen Nerv getroffen. Die Experten hören nicht auf zu streiten: Darf Vorstandschef Josef Ackermann tausende Stellen streichen, obwohl der Konzern Milliardengewinne macht?

Bundeskanzler Gerhard Schröder:

Herr Ackermann sollte auch an den Standort denken.

Ich habe vor kurzem etwas über die Unternehmensphilosophie des früheren Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen gelesen, der sein Unternehmen stets auch in der Pflicht sah gegenüber den Beschäftigten und dem Land, in dem es seinen Standort hat. Ich empfehle den Herren, die derzeit das Unternehmen führen, sich diese Philosophie noch einmal zu Gemüte zu führen und sich zu fragen, ob derart apodiktische Unternehmensziele zu einer Bank passen, die sich ja niemals selbst genug sein darf. Sie muss sich neben dem wirtschaftlichen auch in einem kulturellen und sozialen Umfeld bewegen, wenn sie erfolgreich bleiben will. (Welt am Sonntag)

Jürgen Kurz, Pressereferent der Aktionärsschutzvereinigung DSW:

Herr Ackermann steht unter Druck.

Herr Ackermann darf nicht nur Leute entlassen, obwohl die Deutsche Bank Gewinne macht. Möglicherweise muss er es sogar. Die Aktionäre und die Kapitalmärkte messen einen Vorstandschef daran, ob er einen guten Job macht, ob er die Ziele erreicht, die er sich öffentlich gesteckt hat. Er muss Gewinne machen, Dividenden zahlen und den Aktienkurs hoch halten. Dabei gibt es weder den Kurzschluss, dass sich die Aktionäre immer freuen, wenn Arbeitsplätze abgebaut werden – noch gibt es einen Zusammenhang, der es bei hohen Gewinnen verbietet, Stellen zu kürzen. Ein Personalabbau in der jetzt angekündigten Größenordnung hat nicht viel Einfluss auf die Gewinne. Die nochmalige Ankündigung war eher ein Signal an die Marktteilnehmer, dass die Deutsche Bank an Verbesserungen arbeitet. Ein so international agierendes Unternehmen – selbst das Kapital ist ja zum Teil in ausländischen Händen – steht anders unter Druck als ein Mittelständler. Es muss sich an der Branche orientieren – die Schweizer UBS etwa hat eine Eigenkapitalrendite von 27,7 Prozent. Außerdem macht die Deutsche Bank nur Gewinne, weil sie umstrukturiert. Und wenn dazu Jobs wegfallen müssen, ist es besser, sie streicht, während das Geld da ist: Dann bekommt sie den Abbau eher sozialverträglich hin.

Uwe Foullong, Bankenexperte der Gewerkschaft Ver.di:

Herr Ackermann muss den Abbau stoppen.

Was die Deutsche Bank macht, ist politisch und moralisch unverantwortlich – sie muss den Stellenabbau in der geplanten Form stoppen. Die Finanzbranche ist eine der wenigen, die wächst: Die Nachfrage nach Finanzdienstleistungen wird weiter zunehmen – wegen der Privatisierung der Altersvorsorge, aber auch wegen der Erbengeneration. Wenn die Deutsche Bank trotz dieser günstigen Prognosen Arbeitsplätze streicht, ist das ein gesellschaftliches Problem, weil es die Arbeitslosigkeit ohne Not noch erhöht. Und es ist für das Unternehmen selbst ein Problem: In Zukunft fehlen die notwendigen Fachkräfte, und die Motivation der Nochbeschäftigten sinkt. Denn diese bekommen deutlich gezeigt, dass sie nur ein Kostenfaktor sind. Und sie müssen mehr arbeiten: Weder werden Geschäftsfelder aufgegeben, noch gibt es technische Neuerungen, die den Arbeitsaufwand verringern. Die Arbeit der Entlassenen muss also von den Verbliebenen weiter gemacht werden – und die arbeiten nach den früheren Rationalisierungen schon an der Grenze des Zumutbaren. Vorstand und Aufsichtsrat aber reden von einem Druck durch die Analysten, die die Unternehmenspolitik bewerten. Dabei machen sie den Druck selbst: Sie allein formulieren die unrealistischen Ziele, die sie dann auch erreichen müssen.

Norbert Taubken, Inhaber der Unternehmensberatung CSR Consult:

Gut beraten ist Herr Ackermann nicht.

Das öffentliche Interesse zeigt, dass die Deutsche Bank die Wirkung ihres eigenen Handelns erneut deutlich falsch eingeschätzt hat. Es wird heute allgemein erwartet, dass Unternehmen Verantwortung für gesamtgesellschaftliche Prozesse übernehmen. Viele haben erkannt, dass das auch eine Chance ist, sich positiv gegenüber Kunden, Zulieferern, Politik und Gesellschaft zu positionieren: Wird sie strategisch gedacht und in die Unternehmensphilosophie eingebettet, ist die Übernahme von Verantwortung ein klarer Marktvorteil. Dabei gilt die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, die so genannte Corporate Social Responsibility, kurz CSR, extern wie intern – es geht auch um die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Die Vorkommnisse um die Deutsche Bank zeigen sehr deutlich, was passiert, wenn Entscheidungen nur aus der Perspektive einzelner Unternehmenssegmente fallen. Konkret: Entlassungen vor dem Hintergrund hoher Gewinnzahlen vorzunehmen ist öffentlich kaum nachvollziehbar – selbst wenn es dafür gute betriebswirtschaftliche Gründe gäbe. Der Reputation der Deutschen Bank wird hier in jedem Fall ein Bärendienst erwiesen. Und ihr an vielen Stellen durchaus hervorragendes gesellschaftliche Engagement wird unter den Verdacht der Alibi-Veranstaltung geraten. CSR benötigt eine langfristige Perspektive. Es wirkt nicht in den Zeitspannen von Quartalsberichten.

PROTOKOLL: BEATE WILLMS