: Schulen überspart
GAL-Vorwurf an Bildungssenatorin: 442 Lehrerstellen sind unauffindbar. Behörde dementiert: Die Stellen sind an den Schulen – irgendwo
Von Kaija Kutter
Die grüne Fraktionschefin Christa Goetsch hegt einen bösen Verdacht. „Die Schulbehörde benutzt Lehrerstellen, um Haushaltslöcher zu stopfen“, erklärte sie gestern nach Auswertung einer parlamentarischen Anfrage zum Thema. Offenbar, so Goetsch, habe die Bildungsbehörde die Auswirkungen der ergriffenen Sparmaßnahmen unterschätzt und den „Kürzungsdruck“ auf die Schulen „derart erhöht“, dass eine paradoxe Situation entstanden sei: Die Bildungsbehörde hat 442 Lehrerstellen im Wert von 28 Millionen Euro, die sie formal gesehen gar nicht braucht.
Goetsch hatte am 28. Januar in einer kleinen Anfrage wissen wollen, wie viele Lehrer sich zum Jahresbeginn im Schuldienst befanden. Die Antwort verweigerte der Senat mit der Begründung, dass dies auszuwerten „in der verfügbaren Zeit“ nicht möglich wäre. Beantwortet wurde immerhin die zweite Frage nach dem „Gesamtbedarf“ der Schulen, der sich laut „Personalorganisation vom 1. Februar“ auf „13.324“ Stellen belief. Tatsächlich sind im Haushalt der Bildungsbehörde aber 13.766 Stellen finanziert. „Die Differenz von 442 Stellen wird nicht im Unterricht, sondern für etwas anderes benutzt“, vermutet Goetsch. „Das erklärt, warum so ein Wahnsinnsdruck an den Schulen herrscht und Teilungsunterricht kaum noch möglich ist.“
Der Überfluss besteht freilich nur auf dem Papier. Seit 2001 hat die CDU-Regierung Hamburgs Schulen 700 Stellen entzogen – trotz 4.500 zusätzlicher Schüler. Es wurden Sprachförderstunden gestrichen, Klassen vergrößert, mehrfach die Bedarfsgrundlagen gesenkt und sogar die Referendare dazu verdonnert, zwölf Stunden in der Woche allein an der Tafel zu stehen, was zu weiteren 42 Stellen „Überhang“ führt. Würde man die alten Bedarfsgrundlagen zu Grunde legen, bräuchten die Schulen 14.200 Lehrer.
Wo aber befinden sich die 442 Stellen? Zwar ist bekannt, dass Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) zusätzliche Lehrer für Verbesserungen beim Arbeitszeitmodell, bei der Abitursverkürzung und für steigende Schülerzahlen braucht, doch die sind im „Gesamtbedarf“ der 13.342 enthalten.
„Es stimmt, wir haben einen Überhang“, sagt denn auch Dinges-Dierigs Sprecher Thomas John. „Das ist in der Haushaltsplanung bis 2008 aber auch so eingeplant.“ So würden die Stellen durch steigende Schülerzahlen und „bildungspolitische Verbesserungen“ wie neue Ganztagsschulen „schrittweise abgebaut“. Gegenwärtig, so John, „sind diese Stellen an den Schulen vorhanden“. Wo genau, kann er aber nicht sagen.
„Dies müsste dann aber im Haushaltsplan ausgewiesen sein“, hält Goetsch dagegen, die nun mit einer großen Anfrage „Licht ins Dunkel“ bringen will. Sie hält es für möglich, dass ein Teil der 400 bis 500 durch Pensionierung frei werdenden Stellen nicht nachbesetzt wurde, um Geld zu sparen. Immerhin geht aus erwähnter Senatsantwort hervor, dass von August bis Dezember vorigen Jahres 131 Stellen im Wert von 3,6 Millionen Euro gesperrt waren: 50 zur Finanzierung der Altersteilzeit und 81 zur „Zwischenfinanzierung“ einer noch nicht realisierten Kürzung bei außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen. Sollte Dinges-Dierig weiterhin Stellen sperren, um anderes zu finanzieren, so Goetsch, „muss sie die Bürgerschaft informieren“.
Sollten jedoch die 442 Stellen noch an den Schulen sein, bedeutet dies, dass die Folgen der Kürzungen im nächsten Schuljahr um so heftiger ausfallen werden.