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Archiv-Artikel

Schau‘n mer mal

Berlinale Star-Album (Spezial): Franz Beckenbauer & Co präsentieren „Shoot Goals! Shoot Movies!“. Mit der offiziellen Kurzfilmrolle zur WM 2006 wolle sich Deutschland „so breit wie möglich machen“

VON THOMAS WINKLER

Eins vorweg, damit die Frage nicht weiter bedrohlich im Raum steht: Nein, er hat ihn nicht gesagt, jenen Satz, der sich so sehr aufgedrängt hat, dass wir ihn wie unter Zwang als Titel für diesen Text verwenden mussten. Die drängelnden Journalisten wurden ohne ein „Schau’n mer mal“ wieder weggeschickt. Da war sich Franz Beckenbauer dann doch zu schade, den von allen Anwesenden sehnsüchtig erwarteten Kalauer zu reißen. Dabei hätte er sich angeboten wie niemals zuvor, war der Chef-Organisator der Fußball-WM 2006 doch gestern angetreten bei den Internationalen Filmfestspielen zu Berlin, um Werbung zu betreiben für einen Film.

Der „Talent Campus“ (ein zehntägiger Workshop mit 530 Nachwuchsfilmemachern aus 90 Ländern, den die Berlinale nun zum dritten Mal veranstaltet) hatte im vergangenen Jahr zu einem Kurzfilm-Wettbewerb aufgerufen, Thema: Fußball. Die nationale DFB-Kulturstiftung und das Auswärtige Amt finanzierten, die Berlinale organisierte. 611 Beiträge aus 75 Ländern gingen ein, 45 wurden ausgewählt und zu einer Kurzfilmrolle unter dem Titel „Shoot Goals! Shoot Movies!“ zusammengestellt.

Kicken mit Goethe

Am Dienstag versammelten sich im Berliner Haus der Kulturen der Welt nun die Verantwortlichen, um einer ob der Prominenz reichlich erschienenen Medienschar das Endprodukt vorzustellen. Innenminister Otto Schily wollte „eine Kostbarkeit“ gesehen haben, WM-Kulturprogramm-Kurator André Heller ein „anregendes, interessantes Ergebnis“, Beckenbauer „wunderbare Filme“. Und Jutta Limbach hatte gar festgestellt, dass ganz allgemein „Film eines der bedeutendsten künstlerischen Medien“ ist, schließlich sollen die Goethe-Institute, deren Präsidentin sie ist, die Kurzfilmrolle weltweit präsentieren.

Alle zusammen trugen aber vor allem vehement eine Botschaft in die Medien: Die WM und zuvörderst ihr Begleitprogramm sind eine einmalige Gelegenheit, den WM-Gastgeber Deutschland von seiner „besten Seite“ (Staatsministerin Kerstin Müller) zu zeigen. Auf eine „sehr offene, legere Weise“ (Schily) soll zum Ausdruck gebracht werden: „Wir sind weltoffen, wir sind tolerant“ (Müller).

„Wir wollen uns“, so verspricht Kurator Heller, „überall so breit wie möglich machen.“ Heller nahm der „Legende Beckenbauer“ (Heller) auch nicht krumm, dass „der merkwürdige, sehr ungewöhnliche Mensch Beckenbauer“ (Heller) ihn als „Antifußballer“ (Beckenbauer) bezeichnete, und versprach stattdessen, bis zur „WM“ (alle) ausreichend „Fachkenntnis“ (Heller) zu erwerben. Nachdem Beckenbauer sich zur Analogie „Fußballer sind auch Schauspieler“ verstiegen hatte, gab Heller den Anwesenden noch mit auf den Weg, man möge doch bitte lieber über den Film als über das Staraufgebot der Pressekonferenz schreiben: „Wir müssen nicht berühmter werden.“

Die Angesprochenen begutachteten zum großen Teil aber lieber das mittägliche Buffet als die Kurzfilme, die auf DVD gebrannt werden, um sie auf der ganzen Welt zeigen zu können. Wenn es nach den Organisatoren geht, sollen zumindest einzelne Beiträge im kommenden Jahr auch in den WM-Stadien zu sehen sein. Mit Fifa-Präsident Sepp Blatter wird darüber derzeit verhandelt.

Internationales Spektrum

Die Filme hätten es verdient. Spiegeln sie doch, so pathetisch das aus dem Munde eines André Heller auch klingen mag, „teilweise sehr amüsant, teilweise sehr berührend“ wider, wie universell der Fußball ist, wie gut er als kultureller Kommentar funktioniert. Von brasilianischem Samba bis zum stadionstarken „You’ll Never Walk Alone“-Choral, vom schwulen Hertha-Fan bis zu kickenden kolumbianischen Knastbrüdern geht die Reise in „Shoot Goals! Shoot Movies!“. Die filmische Umsetzung changiert von rüden Video-Aufnahmen von im Matsch versinkenden indischen Bolzplätzen bis zum südafrikanischen Kurzspielfilm in professioneller Qualität, der einen bestechlichen Schiedsrichter auf dem Weg zu einem Ligaspiel begleitet.

So wie es im Fußball, glaubt man dem Völler’schen Diktum, keine kleinen Nationen mehr gibt, so scheint auch in „Shoot Goals! Shoot Movies!“ der Vorsprung traditioneller Fußball- und Filmländer längst eingeholt. Gleich vier Kurzfilme aus Indien haben es in die Auswahl geschafft, kein einziger aus Italien oder Frankreich. Dass das Gastgeberland der nächsten WM mit sechs die meisten Beiträge stellt, wollte zumindest an diesem Tag allerdings niemand als Omen für 2006 gedeutet wissen – in welche Richtung auch immer.