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Archiv-Artikel

Wahlkampf auf siebter Sohle

Skandal! Skandal? Dinslakens CDU-Bürgermeisterin Sabine Weiss soll der Deutschen Steinkohle die Genehmigung für das Bergwerk Walsum für 500.000 Euro angeboten haben. SPD startet Kampagne

VON ALEXANDER FLORIÉUND KLAUS JANSEN

Michael Groschek zeigte die Bildzeitung herum wie einen Schatz. Der Generalsekretär der NRW-SPD hatte auf dem Landesparteitag in Bochum seine Freude an der Affäre, in die sich Dinslakens CDU-Bürgermeisterin Sabine Weiss im Streit um den Weiterbetrieb des Bergwerks Walsum hineinmanövriert hatte.

Weiss habe – so berichtete das Blatt – der Deutschen Steinkohle (DSK) ein Ja der Stadt Dinslaken zu der umstrittenen Trinkwasservereinbarung angeboten, die als Voraussetzung für den von Energieminister Axel Horstmann (SPD) befürworteten Abbau am Rhein bis zum Jahr 2009 gilt. Im Gegenzug habe Weiss 500.000 Euro zur freien Verfügung und mehrere andere Vergünstigungen für die Entwicklung der Brachfläche der 2006 schließenden Zeche Lohberg gefordert. Ein Deal, der die Sozialdemokraten pünktlich zum Beginn des Landtagswahlkampf aus ihrer Defensivposition im Streit um das von Anwohnern und Bürgerinitiativen bekämpften Bergwerks hinausbringen könnte.

Bergbaugegnerin Weiss habe „ihre Position verraten“ und das Trinkwasser gegen Geld „verhökert“, hält der Dinslakener SPD-Fraktionsvorsitzende und Betriebsrat der Zeche Lohberg, Jörg Buhren-Ortmann, der Bürgermeisterin vor. „Die einzige folgerichtige Konsequenz ist, dass sie ihr Amt sofort niederlegt“, fordert er.

„Alles Quatsch“, sagt die Bürgermeisterin: „Ich habe zu keinen Zeitpunkt die Frage Walsum mit der Entwicklung von Lohberg verknüpft.“ Im Zusammenhang mit Lohberg habe es lediglich einen „Letter of Intent“ gegeben, wo von 500.000 Euro für Sponsoring und die anderen Maßnahmen für den Erhalt des Ausbildungszentrums Lohberg mit 40 Azubis die Rede ist. Vielmehr habe DSK-Chef Bernd Tönjes selbst im vergangenen Jahr die Rahmenvereinbarung zum Trinkwasser mit der Zukunft der Zeche Walsum verknüpft. Danach sei ihr klar gewesen, dass alle weiteren Verhandlungen mit der DSK zu stoppen seien, sagt Weiss. Die Tönjes-Drohung könne keine Grundlage für eine Einigung sein.

Die Version der Steinkohle hingegen klingt anders: In einer Pressemitteilung stellt die DSK die „Rahmenvereinbarung Mommbach“ und die finanziellen Forderungen für Sponsoring und Personalkosten als „Koppelgeschäft“ dar. Die Stadt Dinslaken habe eine Mail mit dem Vermerk „Rahmenvereinbarung RAG/DSK“ geschickt, in der das „Letter of Intent“ und der Entwurf eines Briefes der RAG Aktiengesellschaft an Weiss enthalten war. Die 500.000 Euro seien dort erwähnt worden, und die Bürgermeisterin sollte ausschließlich bestimmen, wofür das Geld verwendet wird. Ziel der Stadt sei gewesen, mit der Mail einen Prozess für eine unterschriftsreife Rahmenvereinbarung auszuhandeln, so die DSK.

Die SPD-Landtagsfraktion hat die Steilvorlage zur Schwächung der Anti-Walsum-Front bereits aufgenommen: „Ein unglaublicher Vorgang“ sei das angebliche Angebot von Weiss, poltert Fraktionschef Edgar Moron. Und weil Wahlkampf ist, weitet er die Affäre aus: CDU-Chef Jürgen Rüttgers schreite nicht ein und sei nicht an Aufklärung interessiert, sagte Moron. „Er ist offenbar nicht in der Lage, den moralischen Ansprüchen gerecht zu werden, die er von anderen Parteien einfordert.“