Wegschauen hilft?

betr.: „Anklage fordert Haft für Neonazis“, taz vom 15. 2. 05

Die Gedanken kamen mir zur Meldung von gestern: Kneipe in Pankow von Nazis zerstört. Aber keine lange Suche, auch heute finde ich eine Meldung über Nazigewalt, die mir als Aufhänger dienen kann. Ein weiterer Punkt meiner Sorge, die meine Mutter mir mitgegeben hat, wenn sie von der Nazizeit berichtete. Als Kind fragte ich sie: wie konnte das passieren, der unsinnige Krieg, die Grausamkeit, die Gewaltherrschaft, mit Hilfe ganz normaler Menschen wie euch, wie deiner Eltern, die eigentlich auch nur in Frieden leben wollten? Von ihren Berichten ist mir am eindringlichsten in Erinnerung geblieben, dass die Gewaltbereitschaft und -ausübung der nationalsozialistischen Jugendbanden Angst und Schrecken verbreitete, noch bevor überhaupt ein politisches Konzept verkündet wurde. Auch damals wusste der Großteil der Menschen nicht, wie sie damit umgehen sollten. Wegschauen hilft, dann sieht mich keiner! Oder: es trifft wohl die Richtigen, oder: Meine Schäfchen sind im Trockenen!

Es geht um einfache Dinge (Werte), die einfach erklärt werden sollten. Die Mitläufer von heute haben es nicht erlebt, nicht gesehen, nicht erfahren, nicht verstanden, wie eine Schreckensherrschaft beginnt und was sie für jeden Einzelnen bringt: den Verlust der Freiheit, des Wohlstands und zumeist auch des Lebens. „Geschichte wiederholt sich nicht“, hat mich noch nie getröstet!

CORDULA LIPPKE, Berlin

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