: Für ein lustvolles Einkaufen im öffentlichen Raum
ERLEBNISKULTUR Es gibt einen Gegentrend zur Ödnis der Innenstädte, auch wenn Mietspekulation und Billiganbieter dagegen sprechen
Es ist es nicht nur ein gefühlter Verlust, wenn die alte Tischlerei am Campo di Fiori durch das Billig-Franchise-Unternehmen ersetzt wird, oder im Madrider Zentrum die „chinesische Mafia“ in Wermutbars und traditionelle Läden mit Mineralwasser und Kartoffelchips einzieht. Wir werden überall überschwemmt von Allerweltswaren, und es macht müde, Orte zu besuchen, wo diese Allerweltswaren angeboten werden. Diese Orte sind uninteressant. Sie sind gesichts- und geschichtslos.
Während in Madrid und Rom Ladenbesitzer und Städteplaner den Verlust alteingesessener Fachgeschäfte noch direkt vor Augen haben, ist dieser Prozess in Berlin oder Frankfurt längst gelaufen. Hier ist man froh, dass man den Zwirn, wenn schon nicht mehr im Kurzwarengeschäft, doch wenigstens noch im Kaufhaus bekommen kann. Nun ist auch dieses bedroht.
Sicherlich ist es Nostalgie, das Sterben traditioneller Fachgeschäfte zu beklagen. Spezialisierte Läden haben gegen die Billigkonkurrenz im Großformat verloren. Bauhaus ersetzt das Eisenwarengeschäft, billige Schuhe ersetzen den Schuhmacher. Und sicherlich ist auch die Nachfrage nach Lederriemen aus dem Sattlerfachgeschäft im Zentrum oder nach der Schrankwand aus der alten Tischlerei begrenzt. Außer, diese althergebrachten Fachgeschäfte würden mit neuen Produkten auf neue Nachfrage punkten.
Denn wir sehnen uns nicht nur nach fachgerechter Bedienung, sondern auch nach der differenzierten Produktpalette möglichst an der Ecke. Die Renaissance der Stadt mit kleinen Läden ist im Kommen. Ihre misslungene Kopie, die Shopping Mall, erstickt an Sterilität. Soziologen orten längst den Trend zur Stadt als Wohnort, als Arbeitsort, als Lebensraum. Sie beschwören das Einkaufen als neue, alte Erlebniskultur.
Doch dieses lustvolle Einkaufen im öffentlichen Raum scheitert meist ganz banal an überhöhten Mieten, die sich die Hutmacherin nicht leisten kann. Das belegt die Tatsache, dass kleine Läden gerade in ehemaligen Problem- oder Randvierteln entstehen, wie in der Hamburger Marktstraße oder der Berliner Oranienstraße. Eine lebendige Innenstadt ist keine Utopie, aber ein sehr pflegebedürftiges Pflänzchen im Großstadtdschungel. EDITH KRESTA