Letztes Geleit für ein Symbol

Hunderttausend nehmen in Beirut Abschied von ermordetem Expremier. Derweil wird weiter über Syrien als Drahtzieher des Anschlags spekuliert. USA berufen Botschafterin aus Damaskus ab

VON KARIM EL-GAWHARY

In einer emotional aufgeladenen Atmosphäre wurde gestern der ermordete ehemalige libanesische Premier Rafik Hariri in Beirut zu Grabe getragen. Hunderttausend Libanesen erwiesen dem Mann ihre letzte Ehre, der für sie ein Symbol für den Wiederaufbau des einst im Bürgerkrieg zerstörten Landes ist.

Das Begräbnis des Sunniten Hariri verwandelte sich schnell in eine multikonfessionelle Trauerfeier. Muezzine und Kirchenglocken wetteiferten miteinander, als der mit der Nationalfahne bedeckte Sarg des 60-Jährigen in einem Krankenwagen langsam in einer drei Kilometer langen Prozession durch die libanesische Hauptstadt zur Muhammad-al-Amin-Moschee gebracht wurde. Deren Bau war einst von Hariri selbst finanziert und in Auftrag gegeben worden.

Sunnitische Muslime, drusische Scheichs mit ihren charakteristischen weißen Turbanen, Schiiten und Christen und – in einem Bruch mit der Tradition – auch Frauen folgten dem Sarg hinter den drei Söhnen Hariris, bevor Hariri traditionsgemäß nach dem muslimischen Mittagsgebet im Leichentuch ins Grab gelassen wurde.

Kurz zuvor war es noch zu chaotischen Szenen gekommen, als Trauernde versuchten, den Sarg an sich zu reißen. Hariris Sohn Bahaa versuchte die Lage per Megafon zu beruhigen, bevor er erschöpft zusammenbrach und ins Krankenhaus gebracht wurde. Auffällig abwesend waren Vertreter der prosyrischen libanesischen Regierung und Repräsentanten aus Damaskus. Hariris Familie hatte diese vorher ausdrücklich dazu aufgerufen, nicht zum Begräbnis zu kommen.

Auch zwei Tage nach dem Anschlag, der Hariri und 14 andere Menschen tötete, deuten zahlreiche Finger auf Syrien als möglichen Täter. Immer wieder wurden im Trauerzug antisyrische Slogans gerufen wie „Assad, schick deine Hunde heim“, in Anspielung auf 15.000 syrische Soldaten, die im Libanon stationiert sind. Damaskus hatte sich in den letzten Tagen gegen den Vorwurf verwahrt, hinter dem Anschlag zu stecken. Man solle die Untersuchungen abwarten, anstatt schnelle Schlussfolgerungen zu ziehen, forderte ein Berater des syrischen Informationsministeriums.

Betheina Schaaban, die Sprecherin der Regierung in Damaskus, erklärte erneut, dass das Attentat gegen Hariri den Libanon und Syrien gleichermaßen destabilisiere. Hariri sei ein Mensch gewesen, der in schwierigen Zeiten alle Parteien zusammengebracht habe, fügte sie hinzu und zeigte sich überrascht über die Entscheidung Washingtons, seine Botschafterin in Damaskus abzuberufen.

Botschafterin Margaret Scobey hatte am Mittwoch in einer offiziellen Note noch einmal gegenüber Syrien den „amerikanischen Abscheu über Hariris Tod zum Ausdruck gebracht“, bevor sie „zu wichtigen Beratungen“, nach Washington reiste. US-Außenministerin Condoleezza Rice erklärte, sie beschuldige Syrien nicht des Mordes an Hariri, halte aber daran fest, dass Syriens Präsenz im Libanon destabilisierend sei. „Die syrische Regierung befindet sich auf einem Weg, auf dem sich unsere Beziehungen nicht verbessern, sondern verschlechtern“, sagte Rice.

Derweil haben die Untersuchungen zu Hariris Ermordung wenig Neues ergeben. Der libanesische Innenminister Suleiman Franjieh beschrieb die Tat als „Selbstmordanschlag mit Unterstützung internationaler Parteien“, führte dieses aber nicht weiter aus.