Zwiespältiger Effekt der Internationalisierung

Auslandsengagement deutscher Unternehmen sichern hochwertige Arbeitsplätze im Inland, bestätigt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey und der TU Darmstadt. Auf der Strecke bleiben jedoch Jobs für gering Qualifizierte

FRANKFURT/M. taz ■ „Nur Innovationen führen zu einer Stärkung des Standortes Deutschland.“ Das ist die zentrale These einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company und des Instituts für Produktionsmanagement der Technischen Universität Darmstadt, die sich mit Chancen und Risiken der fortschreitenden Internationalisierung der deutschen Wirtschaft beschäftigt. Und deshalb sei die Expansion deutscher Unternehmen in ausländische Wachstumsmärkte, vor allem in die Länder Asiens, Osteuropas und nach Nordamerika, der „Schlüssel zur Sicherung von Produktion auch im Inland“. Das sagte McKinsey-Direktor Raimund Diederichs gestern bei der Vorstellung der Studie. Und „natürlich“ auch der Schlüssel zur Sicherung von Arbeitsplätzen vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung.

Unternehmen, die Qualitätsprodukte – wie komplizierte Werkzeugmaschinen – herstellten, seien dagegen oft besser aufgestellt, wenn sie „trotz des hohen Lohnniveaus“ auch weiter in Deutschland produzierten: Immer dann, wenn nicht die manuelle, sondern die hochwertige maschinelle Fertigung die Produktion dominiere, ergebe die Abwanderung in ein Billiglohnland auch mit Wachstumsmarkt wenig Sinn. Schließlich müssten etwa bei einem Engagement in China auch die enormen Investitions- und Infrastrukturkosten berücksichtigt werden. Im Schnitt dauert es 4,2 Jahre, so die Autoren der Studie, bis sich ein möglicher Spareffekt bei den Lohnkosten dann auch tatsächlich einstellt.

„Erfolgsbeispiele aus der mittelständischen Maschinenbau- und Elektronikindustrie zeigen, dass innovative Unternehmen Weltklasseprodukte auch in Deutschland wettbewerbsfähig fertigen können“, so Diederichs.

Für viele andere Unternehmen sei es dagegen unerlässlich, auf allen relevanten Märkten der Welt präsent zu sein –nicht nur mit Vertriebsorganisationen, sondern auch mit Produktionsstätten. Schließlich sei Wachstum auf den Märkten in Westeuropa in absehbarer Zukunft nur begrenzt möglich.

Neue Absatzchancen böten die Wachstumsmärkte in Osteuropa, Indien oder China. Dass dabei auf der Wunschliste der von der TU Darmstadt befragten Vorstandsmitglieder und Topmanager von mehr als 50 international ausgerichteten Unternehmen die neuen Staaten der Europäischen Union im Osten ganz oben stehen, wunderte Projektleiter und Wirtschaftsforscher Eberhard Abele nicht. Im Fahrzeugbau etwa könne in Tschechien oder in Ungarn inzwischen fast genauso produktiv produziert werden wie in Deutschland oder Frankreich – bei einem Lohnniveau, das – derzeit noch – unter dem westeuropäischen Standard liegt.

In China oder Indien sei das noch nicht möglich. Wegen der gewaltigen Entfernungen dort müsse zudem mit hohen Transportkosten für die Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten und für den Vertrieb der hergestellten Waren gerechnet werden. Zudem relativierten sich auch die Personalkosten. Ein deutscher Abteilungsleiter etwa in Schanghai koste wegen der horrenden Mieten und Reisekosten so viel wie 100 chinesische Arbeiter. Auch das müssten Unternehmen wissen und einkalkulieren, wenn sie in China oder in Südkorea investieren wollten.

Die Kehrseite der Medaille: Engagements im Ausland können zwar daheim hochwertige Jobs sichern helfen. Doch was ist mit den anderen Arbeitsplätzen, denen im Marginalbereich? Einfache arbeitsintensive Tätigkeiten würden in Zukunft in Deutschland wohl immer weniger benötigt. Und die entsprechenden Jobs dazu sicher auch nicht mehr, bedauerte Diederichs. Seine Aufforderung an die jungen Deutschen: Lernen, lernen, lernen.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT