schuris runde welten : Kickendes Klassenzimmer
„Wenn wir aber durch Kobi oder Toni Ailton das zweite Tor machen, dann sind wir bereits nach dem Hinspiel fast sicher eine Runde weiter.“ (Ralf Rangnick)
Vorgestern habe ich auf meinem Handy mein Profil umbenannt. Statt ‚schuri‘ steht da jetzt ‚Schurian“ und das wäre nicht der Rede wert, wenn es nicht zugleich Ausdruck meiner tiefen Hassliebe gegenüber meinem eigenen Spitznamen sein würde, die einst darin gipfelte, dass ich einen begabten Minikicker auf dem Nachhauseweg in eine Mülltonne steckte, nur weil er mich mit einem Dauer-Singsang hänselte: „Schuri aus Uri, Kanton in der Schweiz“.
Eine ehemalige Arbeitskollegin verliebte sich sogar in den Mann, der ihren Rufnamen durch den Kakao zog. Auf ihr „Hallo, ich bin die Daggi“ sagte der Al-Pacino-artige Geschlechtsgenosse: „Hallo Daggi, und ich bin für Dich Onkel Heinz“. Später fand ich heraus, dass Onkel Heinz eher dem späten Wolfgang Neuss ähnelte. Doch Daggie hieß fortan nur noch Dagmar: Mit über 30 Jahren beschloss sie erwachsen zu werden.
Fußballer sollen nicht erwachsen werden. In jedem Verein gibt es mindestens einen Onkel Heinz. Es gibt Kindereien in der Kabine, gemeinsame Ausgehanzüge, das Essen mit dem Vorstand. Kurzum: Fußballteams sind wie „fliegende Klassenzimmer“ mit Lehrern, Anführern, Mitläufern, Trotteln und mit – Spitznamen.
Dabei gefallen die Zeckes, Blondies, Katsches, Eisendieters, Hottes, Poldis und Metzes vor allem der Anhängerschaft: Aus Fußballartisten werden wieder Straßenkicker. Die Fans empfinden dann eine Nähe, die sie sonst vermissen. Und natürlich können solche Spitznamen ganz praktisch sein: Auch russische Revolutionäre legten sich deshalb Kampfnamen zu, weil Genosse Stalin den Massen eben leichter von den Lippen kam als Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili.
19.2. Bochum – Freiburg
Noch einen Vorzug haben die Kosenamen: Sie rauben dem Fußball die Ernsthaftigkeit. Denn wenn am Samstag für den VfL Bochum eine gewisse Zwetschge und oder ein Woschi gegen den SC Freiburg auflaufen, dann nimmt das diesem Endspiel um Ligaverbleib und Trainerschicksal etwas die Schärfe. Und letztlich ändert ja auch diese Partie genauso wenig am Weltenlauf wie die Schneeballschlacht im Jungenroman von Erich Kästner.
21.2. Duisburg - 1860 München
Übrigens liegt Zweitliga-Tabellenführer MSV Duisburg auch im Spitznamen-Ranking vorne. Ersatztorwart Sven Beuckert heißt für die „Zebras“ nur „Beucke“. Routinier Heiko Scholz wird „Scholle“ gerufen. Und aus Alex Bugera wurde natürlich der „Bugi“ – das weiß auch Trainer Norbert Meier: „Bugi war so blass, er sah aus wie das Leiden Christus“. Aber heißt der nicht eigentlich Christi? CHRISTOPH SCHURIAN