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Archiv-Artikel

Christdemokraten wollen Gottesstaat

Bildungsverwaltung unterstützt mögliche Konsequenzen gegen Schüler, die den Mord an Hatun S. guthießen. CDU-Fraktion fordert als Reaktion verpflichtende Werteerziehung „nach christlich-abendländischem Maßstab“

Die Senatsverwaltung für Bildung befürwortet eine Bestrafung von Schülern der Neuköllner Thomas-Morus-Oberschule. Sie hatten nach Schulangaben den Mord an der türkischstämmigen Hatun S. gutgeheißen (die taz berichtete). Die 23-Jährige war am Sonntag in Tempelhof erschossen worden. „Wenn der Schulleiter Konsequenzen gegenüber den Schülern zieht, werden wir ihn unterstützen“, sagte Staatssekretär Thomas Härtel (SPD).

Härtel begrüßte das Vorgehen von Schulleiter Volker Steffens. Er hat in einem offenen Brief angekündigt, man werde „diese intoleranten Schüler“ zur Verantwortung ziehen: „Wer Mobbing will, hat bei uns keinen Platz.“ Steffens war gestern Nachmittag nicht zur Klärung der Frage zu erreichen, ob das definitiv den Rauswurf der Schüler bedeutet. Die Neuköllner Schule am Mariendorfer Weg 70 besuchen Schüler aus 40 Nationen.

Das Berliner Schulgesetz ermöglicht laut Paragraf 63 fünf Ordnungsmaßnahmen. Sie reichen von einem schriftlichen Verweis bis zum Rausschmiss der Schüler. Härtels Bildungsverwaltung mochte dazu keinen konkreten Vorschlag machen: „Es ist nicht Aufgabe des Senats, Konsequenzen zu dekretieren“, sagte ihr Sprecher Kenneth Frisse. Diese Diskussion sei schulintern zu führen. Der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) sprach sich für eine Bestrafung mit „gebotener Härte“ aus.

CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer nahm den Vorfall zum Anlass, Bildungssenator Klaus Böger (SPD) scharf zu kritisieren: „Es wird deutlich, dass die Schulpolitik des Senats versagt hat.“ Böger selbst ist nach Angaben seiner Verwaltung in Urlaub. Der Neuköllner Zwischenfall ist für Zimmer „das Ergebnis der Verweigerungshaltung der SPD-PDS-Koalition gegen die Einführung des Schulfaches Religion, Ethik und Werteerziehung“. Der CDU-Mann forderte einen verpflichtenden Werteunterricht „nach christlich-abendländischem Maßstab“.

Die SPD hatte schon Ende 2004 angekündigt, sich bei ihrem Parteitag Anfang April mit einem Werteunterricht zu beschäftigen. Koalitionspartner PDS kündigte an, bald ein Modell für ein Pflichtfach vorzustellen.

Die FDP-Abgeordnete Mieke Senftleben hält eine Wertediskussion für dringend notwendig: „Die Grundwerte Freiheit und Gleichheit von Mann und Frau haben offenbar einige Schüler nicht verinnerlicht.“ Ein Manko sehen auch die Grünen: „Die Schule muss zum Ort werden, an dem unsere Grundwerte vermittelt werden“, fordern Fraktionschefin Sibyll Klotz und Bildungsexperte Özcan Mutlu. Grundvoraussetzung sei eine ausreichende finanzielle Ausstattung. Zugleich schlugen die beiden Grünen vor, Politiker aller Parteien sollten in die Schulen in den sozialen Brennpunkten gehen und mit den Schülerinnen und Schülern sprechen. STEFAN ALBERTI