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Wie es ein Reporter ohne journalistischen Hintergrund, dafür mit Callboy-Geschichte ins Weiße Haus schaffte
Jeff Gannon war einer jener Reporter, wie ihn jeder Regierungssprecher gern vor sich hat. Wenn Scott McClellan, der Sprecher des Weißen Hauses, mit zu vielen kritischen Fragen der versammelten Journalisten bombardiert wurde, reichte ein „Go ahead, Jeff“, um mit einer regierungsfreundlichen Frage die Wogen zu glätten. Jeff Gannon war Chefreporter der Website www.talonnews.com – einer Seite, die mehr mit republikanischer Propaganda als mit Nachrichten zu tun hat. Kein Wunder: Sie gehört dem texanischen Aktivisten Bobby Eberle, einem Delegierten bei republikanischen Parteitagen, der auch die noch obskurere konservative Seite www.gopusa.com betreibt. Weil das alles nicht nach seriöser Berichterstattung aussieht, bewarb sich Jeff Gannon seit Jahren vergeblich um eine Presseakkreditierung für den US-Kongress.
Nicht so im Weißen Haus: Seit zwei Jahren schon konnte Gannon regelmäßig die Presse-Briefings besuchen, mehrfach sogar dem Präsidenten selbst eine Frage stellen. Vorbei. Jeff Gannon als Chefreporter gibt es nicht mehr – dafür viele Fragen an James D. Guckert, den früheren Callboy und schwulen Begleitservice-Vermittler, der als „Jeff Gannon“ dem Präsidenten zu Hilfe kam.
Vor zehn Tagen löschten www.talonnews.com und www.gopusa.com all seine Spuren, und auf „Jeff Gannons“ eigener Website findet sich nur noch der Hinweis, dass er sich ins Privatleben zurückgezogen habe. Es war eine jener typischen „Gannon“-Fragen, die Journalisten und Blogger in den USA dazu gebracht hatten, der Identität Gannons/Guckerts nachzugehen. Am 26. Januar nahm „Gannon“ an einer Pressekonferenz des Präsidenten teil und fragte Bush, der kurz vorher gesagt hatte, er werde mit der Opposition kooperieren, wie dieser bloß „mit Leuten arbeiten wird, die sich komplett von der Realität verabschiedet haben?“ Nun ist man in Washington blöde Fragen gewöhnt, aber das war dann doch zu viel. Seither beschäftigt die Blogs und zunehmend auch die etablierten Medien, wie es möglich war, dass jemand ohne journalistische Erfahrung, mit einer dubiosen Organisation als Auftraggeber und einer Historie als Callboy, dessen Nacktfotos mit erigiertem Glied und dem Pseudonym „Bulldog“ noch immer im Web zu finden waren, innerhalb nur weniger Tage die Sicherheits-Checks des Weißen Hauses passieren konnte, für die andere – echte – Journalisten Monate brauchen. An der Callboy-Vergangenheit, stellen die Blogger klar, wäre im Übrigen nichts Schlimmes, hätte nicht „Gannon“ selbst schwulenfeindliche Artikel zugunsten einer Regierung verfasst, die nicht zuletzt durch die Ablehnung der Homoehe wiedergewählt worden sei.
Wie Guckert/Gannon den Zugang zum Weißen Haus geschafft hat, wollen inzwischen auch demokratische Abgeordnete wissen: In einer Anfrage an den US-Heimatschutzminister Tom Ridge fordern sie Auskunft darüber, nach welchen Kriterien Guckert die Akkredierungen erhalten habe und ob es denn üblich sei, unter falschem Namen im Weißen Haus aufzutreten. Guckert selbst bestreitet jeglichen persönlichen Kontakt zum Weißen Haus. Alles andere aber gibt er inzwischen zu. BERND PICKERT