Lustiger Fall für den Staatsanwalt

Von Telefonstreichen und politischen Interviews: Was dem einen Radiosender billig ist, kann den anderen teuer zu stehen kommen. Nicht autorisierte Tonbandmitschnitte stehen vor den obersten Gerichten auf dem Prüfstand

Es sind bei den privaten Radiosendern Highlights: Wenn der kleine Nils bei der Agentur für Arbeit anruft und fragt, was Hartz IV für seine „Mami“ bedeutet. Die müsse doch jetzt hinzuverdienen. Der Fallmanager möchte die Mami sprechen, doch die „muss gerade am Hustentelefon arbeiten“, plaudert der Kleine und gibt bereitwillig Auskunft: „Immer wenn ein Mann anruft, macht sie ‚haaach, haach ....‘.“ „Deine Mami wird nun ganz gehörig Ärger kriegen“, frohlockt der Angestellte.

Dabei ist er selbst in die mediale Falle getappt. So wie der Media-Markt-Chef, der zu Hause an die Herzinfarkt-Grenze gerät, als ihm telefonisch mitgeteilt wird, dass die Aktion „alles zum halben Preis“ wie eine Bombe einschlägt – im Hintergrund sind die Durchsagen zu hören. Beide sind Opfer fingierter Telefoninterviews, die heimlich aufgezeichnet werden, um zur Belustigung der Radiohörer über den Äther geschickt zu werden.

Doch „Crazy-Phone“, „Telefonschreck“ oder „das verrückte Telefon“ sind im Prinzip Fälle für den Staatsanwalt. „Objektiv ist das eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“, bestätigt Rüdiger Bagger, Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Die Sender werden sich aber dadurch absichern, dass sie sich das Gespräch anschließend autorisieren lassen.“ Und da ein solcher Verstoß ein Antragsdelikt ist, kommt es, wird keine Anzeige gestellt, auch nicht zur Strafverfolgung.

Formal ist nach dem Paragraf 201 StGB, der die intime Privatsphäre schützen soll, nach „herrschender Meinung“ schon das bloße Mitschneiden eines Telefonats auf Tonträger ohne Information des Gesprächspartners strafbar. Bagger: „Das ist ja im Prinzip schon der Fall, wenn ich heimlich zum Mithören den Lautsprecher einschalte.“

Dies ist Werner Pomrehn, Reporter beim Freien Sender Kominat (FSK), zum Verhängnis geworden. Das Hamburger Amtsgericht verurteilte ihn zu 80 Tagessätzen, weil er zwei Telefonate mit Polizeisprecher Ralf Kunz im Rahmen der Bambule-Berichterstattung aufgezeichnet und gesendet hatte, ohne ihn zu informieren. Die Polizei erstattete Anzeige und filzte den Sender auf der Suche nach dem Band.

Der Fall befasst demnächst vermutlich gleich zwei hohe Gerichte. Wegen der Razzia und der Verletzung des Rundfunkgeheimnisses hat FSK Klage vorm Bundesverfassungsgericht eingereicht und Pomrehms Anwalt Ralf Ritter hat „Rechtsmittel“ eingelegt. Denkbar ist damit eine Sprungrevision. Dann landet der Fall direkt vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht, das das Urteil auf „Rechtsfehler“ zu untersuchen und zu prüfen hat, ob die Rechtsauffassung im Zeitalter elektronischer Medien noch Bestand hat. „Das wäre ein typischer Fall, da hat das OLG die Möglichkeit zu sagen, es war keine Straftat, da es sich um ein öffentliches Gepräch gehandelt hat“, sagt Ritter.

Auch für Staatsanwalt Bagger wäre „dieser juristische Grenzfall“ dort richtig angesiedelt. Denn schon 1979 vertrat der Ex-Generalstaatsanwalt in Schleswig-Holstein, Heribert Ostendorf, die Auffassung, dass der Paragraf 201 für den öffentlichen Dienst keine Gültigkeit haben könne. „Der öffentliche Dienst hat prinzipiell einen öffentlichen Charakter“, schrieb er in der Juristischen Rundschau. Bei einem Dienstgespräch würden schließlich keine intimen Inhalte aus der Privatsphäre ausgetauscht. Ostendorf: „Eine Privatsphäre hat bei der Ausübung dieses Dienstes keinen Platz, das Schutzbedürfnis für Vertraulichkeit entfällt.“ Kai von Appen