: Wir müssen alle harte Hacker werden!
Das „Napster“-Prinzip wirkt weiter: Letzte Woche hat die österreichische Polizei mehrere Internetseiten geschlossen, auf denen Adressen von Adressenlisten zu finden waren – und die Betreiber dieser Tauschnetze hinter Gitter gebracht
Wahrscheinlich müssen wir jetzt alle kleine Hacker werden. Dabei wäre das gar nicht nötig, weil Tauschnetze eine ganz einfache Sache sind. Du darfst mein Video- und Plattenregal benutzen, ich deines. Das Problem ist, dass wir beide voneinander wissen müssen. Auch dafür gäbe es eine einfache, für alle brauchbare Lösung: Auf irgendeinem Rechner werden die Adressen all der Leute gespeichert, die zu der Zeit, in der man nachfragt, auch gerade online sind. Und bei jeder Adresse steht eine Liste der Dateien, die bei diesen Leuten zu haben sind. So simpel hat einst „Napster“ funktioniert – und wurde deshalb auch rasch zum Welthit.
Aber dann haben Juristen festgestellt, dass sich der Betreiber dieses so praktischen, menschenfreundlichen Adressenrechners mindestens der Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen schuldig macht. Tauschnetze der simplen „Napster“-Art gibt es deshalb nicht mehr. Die zweitbeste Lösung des Problems, voneinander zu wissen, besteht darin, die Adressenliste nicht bloß auf einem, sondern auf mehreren Rechnern zu speichern. Es ist dann nicht mehr so leicht, die Betreiber in den Knast zu schicken.
Aber jetzt muss man diese Adressenlisten finden, und dafür braucht man wieder einen Rechner, auf dem ihre Adressen aufgezählt sind. Diese Methode benutzt unter anderem das Tauschsystem „eDonkey“, besser bekannt unter als„eMule“.
Aber sie ist nicht sicher genug. Letzte Woche hat die österreichische Polizei gleich mehrere „eDonkey“-Webseiten geschlossen, auf denen Adressen von Adressenlisten zu finden waren. Ihnen drohen nach dem österreichischen Gesetzen bis zu zwei Jahren Haft.
Es bleibt also keine andere Wahl, als noch raffiniertere Methoden zu benutzen. Bis heute ist noch kein polizeilicher Zugriff auf einen der vielen hunderttausend Benutzer des „Gnutella“-Netzes bekannt geworden – weil „Gnutella“ keinen speziellen Rechner für die Adressen der Teilnehmer braucht. Um hineinzukommen, muss man nur jemanden erwischen, der auch gerade online ist. Dafür gibt es ein paar Standardadressen, auf denen aber auch nicht mehr zu holen ist, als bei irgend einem anderen Tauschpartner.
Jeder „Gnutella“-Freund notiert sich (einige) Adressen von anderen Teilnehmern, die auch gerade im Netz sind. Auf diesem technisch sehr anspruchsvollen Weg kommen wir dann doch noch zusammen, du mit deiner Datensammlung, ich mit meiner. Nur die Polizei muss draußen belieben, denn sie hat höchstens eine theoretische Chance, in der Zeit, in der wir online sind, herauszufinden, wo wir stecken und wie wir uns gefunden haben.
Falls auch diese Methode eines Tages versagt, bleibt wohl wirklich nur noch die Technik des „Freenet“. Das ist so verschlüsselt, dass nicht einmal die Teilnehmer selbst mehr so genau wissen, was sie auf ihrer Festplatte haben. Vielleicht zwingt uns die Polizei tatsächlich, solche richtig harten Hacker zu werden. NIKLAUS HABLÜTZEL