piwik no script img

Archiv-Artikel

Ausharren um jeden Preis

Der Streik in der Ameos-Klinik Dr. Heines läuft in der vierten Woche. Ein Ende ist nicht in Sicht: Die Geschäftsführung will nur mit dem Betriebsrat verhandeln, der wiederum verweist auf ver.di. Die Streikenden wollen durchhalten: Für sich und die Kollegen

bremen taz ■ Ein Wohnmobil steht direkt vor der Ameos-Klinik Dr. Heines in Oberneuland. Davor Stehtisch und Sonnenschirm. Gecampt wird hier nicht – es wird gestreikt. Seit nunmehr 24 Tagen stehen die Männer und Frauen in ihren gelben Streik-Westen vor den Toren der Klinik und harren aus. Ein Ende ist nicht in Sicht, dazu seien die Fronten zu verhärtet, sagen sie. Eine streikende Mitarbeiterin bangt um ihren Arbeitsplatz. „Wir haben nur Einzelarbeitsverträge und sind schnell kündbar“, erklärt sie, „da liegt es doch auf der Hand, dass ich nach diesem Streik nicht weiterbeschäftigt werde.“ Mit ihrer Angst ist sie nicht allein. Auch die anderen Ausständler fürchten um ihre Jobs. Er könne nachts kaum noch schlafen, erzählt einer.

Kurzer Rückblick: Im Dezember gab es den ersten Warnstreik. Tarifverhandlungen zwischen Klinikleitung und Gewerkschaft ver.di waren gescheitert, am 31. Januar begann der Streik. 60 bis 70 Mitarbeiter beteiligen sich seitdem an dem Arbeitskampf. „Einige machen jedoch nicht mit – aus Angst um ihren Arbeitsplatz“, so eine der Streikenden. Auf dem Stehtisch vor den Kliniktoren steht frischer Kuchen, Tee und Kaffee. „Den Kuchen haben uns die Nachbarn gebracht“, erzählt ein Heines-Mitarbeiter. Namen will hier niemand nennen. Die Angst vor einer Kündigung ist zu groß. Hoffnung und eine positive Bilanz sind trotzdem vorhanden.

„Ich fühle mich hier zum ersten Mal wohl – dabei arbeite ich schon seit Jahren hier. Die Stimmung untereinander ist super. Besser als je zuvor“, berichtet ein junger Mitarbeiter. „Wir motivieren uns immer gegenseitig zum Durchhalten.“ Auch wenn sie nicht mehr wirklich daran glauben, den Kampf zu gewinnen. Aber dann wollen die Bremer Ausständler wenigstens Flagge gezeigt haben – für die Kollegen in anderen Ameos-Kliniken.

Im Jahr 2003 wurde die Klinik von der Schweizer Firma Ameos AG übernommen. Die Haustarifverträge wurden noch im selben Jahr gekündigt. Seitdem werden Einzelverträge ohne Tarifbindung abgeschlossen – zum Nachteil für die Beschäftigten: „Ich habe Einbußen in Höhe von 300 Euro“, klagt ein Arzt im Ausstand. „Wir fordern die gleichen Rechte wie in anderen Kliniken auch. Nicht mehr und nicht weniger“, fügt eine Streikende hinzu.

Die Geschäftführerin der Klinik, Maria Mensen, will nicht mehr mit ver.di, sondern nur noch mit dem Betriebsrat verhandeln. „Wir haben drei Angebote an ver.di gemacht. Die wurden nicht angenommen“, so die Chefin. Doch der Betriebsrat sieht sich außerstande zu verhandeln. „Das liegt nicht in unserem Kompetenzbereich. Der Betriebsrat ist zur Friedenspflicht und Neutralität verpflichtet. Wir können nur Einzelverträge ausknobeln“, so Ingo Tschinke vom Betriebsrat. Die ersehnten Tarifverträge kommen nämlich nur zustande zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung. Die lehnt jedoch ab. Auch ein Schlichtungsangebot zur Beilegung des Streiks unter Moderation von Bremens Altbürgermeister Hans Koschnick hat Maria Mensen abgelehnt. Um den Klinikbetrieb trotz Streik aufrechtzuerhalten, hat die Geschäftsführerin Leiharbeiter engagiert. „Die haben zwar eine Ausbildung im pflegerischen Bereich, aber nicht in der Psychiatrie“, berichtet ein Streikender. Zwei der neun Stationen mussten seit Beginn des Streiks geschlossen werden. Auf einer dieser Stationen hätten sich die Leiharbeiter eingerichtet, erzählen die Arbeitskämpfer vorm Haus. Wie lange all das noch dauern soll, wissen sie nicht. Sie wollen durchhalten. Dasselbe glauben sie von der Geschäftsführung. „Frau Mensen gibt nicht nach“, sagt ein Ausständler, „die lässt uns hier eher verfaulen.“

Heute um 12 Uhr gibt es eine Kundgebung vor der Klinik und um 14 Uhr bittet die Geschäftsleitung zur Mitarbeiterversammlung. Martina Möller