: Probleme mit Reformkurs in Palästina
Der Generationskonflikt und die Haltung gegenüber Arafat verzögern die Abstimmung über die neue Regierung
Der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kurei tut sich schwer, mit dem Tempo der Reformer Schritt zu halten. Zum zweiten Mal musste gestern die Abstimmung über das neue Kabinett durch die Parlamentsabgeordneten verschoben werden, weil ihnen Kureis Minister nicht zusagten. Dabei hatten schon am Dienstagnachmittag alle Zeichen auf eine Lösung gedeutet.
„Abu Ala (Kurei) ist schuld an der Krise“, schimpfte der Nationale Sicherheitsberater Dschibril Radschub in einem Gespräch mit dem Fernsehsender al-Dschasira. Er habe die Kriterien von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas für die neue Regierung nicht berücksichtigt. Radschub sprach von unwesentlichen „Schönheitsreparaturen“, die Kurei infolge der scharfen Kritik aus der eigenen Fatah-Partei vorgenommen habe.
Die Fatah-Fraktion hält fast zwei Drittel der insgesamt 85 Parlamentssitze. Zur Bestätigung des Kabinetts benötigt der Ministerpräsident mindestens 43 Stimmen. Aus Zorn über die Parteifreunde, die ihm die Regierungsgründung so erschweren, boykottierte Kurei eine Krisensitzung seiner Fraktion.
Sein Rücktritt wurde gestern genauso wenig ausgeschlossen wie die Möglichkeit, dass Abbas an Kureis Stelle einen anderen Politiker mit der Ernennung der Minister beauftragen wird. Damit würde Abbas seinem Ministerpräsidenten die Rückendeckung versagen, an der es ihm selbst einmal mangelte, als er vor eineinhalb Jahren unter Palästinenserpräsident Jassir Arafat den Posten als Regierungschef übernehmen sollte.
Die Fronten lassen sich grob festmachen. Zum einen handelt es sich um einen Generationskonflikt, wobei Palästinenserpräsident Abbas, Mitglied der alten PLO-Garde, deutliche Sympathien für den Nachwuchs zeigt. Zum anderen stehen diejenigen Politiker, die dem verstorbenen Palästinenserpräsident Jassir Arafat posthume Treue beweisen, denen gegenüber, die schon zu seinen Lebzeiten nicht mit Kritik an ihm zurückhielten. Dazu zählen insbesondere der frühere Sicherheitschef Mohammed Dahlan und Exinformationsminister Nabil Amr. Beide gehören zur jüngeren Generation und sind jetzt wieder aussichtsreiche Kandidaten für einen Ministerposten.
Die während der ersten Intifada (1987–1994) erwachsen gewordenen Nachwuchspolitiker klagen die aus dem Exil in Tunis heimgekehrte Fatah-Führung der Korruption an. Die alte Garde verteilte Gelder und Posten unter sich, während die Jungen, die jahrelang in den besetzten Gebieten ihren Kopf hinhielten, leer ausgingen. Umgekehrt beschuldigt eine Kurei-nahe neue Gruppe, die sich „Die treuen Söhne Jassir Arafats“ nennt, die Fatah-Jugend des Diebstahls öffentlicher Gelder.
Eine schlichte Verjüngung des Kabinetts wird das Problem nicht lösen. Das Kabinett soll kleiner werden. Im Gespräch sind derzeit 15 bis 18 Minister anstelle der geplanten 24. Es muss zudem transparenter und effektiver arbeiten. Die Kritiker Kureis fordern Experten im Kabinett anstelle von Politikern. So ist beispielsweise der Wirtschaftsexperte Salam Fajad zum Finanzminister ernannt worden. Fajad ist nun sogar im Gespräch für eine mögliche Nachfolge von Kurei, sollte sich der Konflikt zwischen den beiden alten Parteifreunden nicht doch noch friedlich beilegen lassen.
SUSANNE KNAUL