: „Wir in Rheinland-Pfalz blockieren nicht“
Nicht die Regierung in Mainz verhindere das rot-grüne Bundesgesetz für Hochwasserschutz, sondern die Grünen, sagt SPD-Umweltministerin Margit Conrad. Ausnahmsweise solle in Überschwemmungsgebieten gebaut werden dürfen
taz: Zweieinhalb Jahre nach dem großen Hochwasser an der Elbe und dem rot-grünen Wahlsieg gibt es noch kein Bundesgesetz für besseren Hochwasserschutz. Ein sehr widersprüchliches politisches Signal …
Margit Conrad: Das ist für die SPD überhaupt nicht kompliziert. Allenfalls für ein paar grüne Fundamentalisten. Dass es noch keine Einigung gibt, liegt ausschließlich an fundamentalistischen Positionen beim Bundesumweltministerium und Teilen der grünen Bundestagsfraktion.
Michael Müller hält eine weitere Aufweichung des Entwurfs der rot-grünen Bundesregierung für nicht zumutbar. Müller ist Fraktionsvize der SPD im Bundestag.
Wenn wir allein mit der SPD verhandeln würden, hätten wir längst eine Lösung. Das kann ich bestätigen, weil ich in den Verhandlungen drinstecke.
Die Grünen sind also schuld?
Nicht alle. Meine grüne Kollegin Bärbel Höhn hat in Nordrhein-Westfalen ein Gesetz vorgelegt, das – wie bei uns in Rheinland-Pfalz – von einem grundsätzlichen Verbot neuer Baugebiete in Überschwemmungsgebieten ausgeht – aber wesentlich großzügigere Ausnahmeregelungen vorsieht. Das heißt: Unser Landes-Hochwasser-Schutzgesetz ist deutlich strenger.
Schön für Sie und gut für Rheinland-Pfalz. Wenn das schlechtere Nordrhein-Westfalen dem rot-grünen Gesetzentwurf zugestimmt hat – wieso können Sie das dann nicht auch?
Bundesrecht bricht Landesrecht. Wenn sich der Bund durchsetzt, muss Bärbel Höhn ihr Gesetz einstampfen.
Wieso hat sie dann dem Entwurf zugestimmt?
Das müssen Sie die Grünen fragen.
Solange Rheinland-Pfalz blockiert, wird es kein rot-grünes Gesetz geben. Was fordern Sie, um einem Regierungsentwurf zustimmen zu können?
Rheinland-Pfalz blockiert nicht. Es geht darum, ein vernünftiges Hochwasserschutzgesetz des Bundes zu bekommen. Hier haben wir durch Verhandlungen einiges erreicht – gerade aus Sicht der Länder und insbesondere von Rheinland-Pfalz, das ausgesprochen aktiv beim Hochwasserschutz ist und umsetzungsorientiert arbeitet.
Frau Ministerin, was fordern Sie?
Wir lassen uns nicht in die Ecke stellen, als wollten wir neue Baugebiete. Man kann hier nachweisen, dass wir kaum Ausnahmen zugelassen haben. Wir können auch nachweisen, dass wir ein strengeres Gesetz haben als das, was Grüne in Länderverantwortung einbringen.
Was fordern Sie?
Dass sich eine kleine Minderheit bewegt. Es ist nicht so, dass wir neue Baugebiete in Überschwemmungszonen wollen. Aber wenn ich in Zukunft so genannte HQ-100-Gebiete ausweise, definiere ich kilometerweite flache Regionen als Überschwemmungsgebiete. Wenn ich dann vor der Frage stehe, ob ich Arbeitsplätze erhalte und sichere ohne erhebliche neue Schäden und ohne eine Verschlechterung der Hochwassersituation, möchte ich mich im Interesse der Arbeitsstellen entscheiden können.
Anders gefragt: Was muss am jetzigen Gesetzentwurf geändert werden, damit Sie zustimmen können?
Wir müssen weg vom ausnahmslosen Bauverbot. Und zwar dann, wenn keine andere Möglichkeit der Siedlungsentwicklung besteht, Hochwasserschutz und -vorsorge nicht beeinträchtigt und Schadenspotenziale durch hochwasserangepasstes Bauen vermieden werden. Weitere Voraussetzungen: Es darf keine negativen Auswirkungen für flussabwärts gelegene Regionen geben und der Verlust von Wasserrückhalteräumen muss schnellstmöglich ausgeglichen werden. INTERVIEW: NICK REIMER