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Archiv-Artikel

Durchbruch für Islam-Unterricht

Bundesverwaltungsgericht erkennt muslimische Verbände wie den Zentralrat der Muslime im Prinzip als Religionsgemeinschaften an. Noch Auflagen zu erfüllen

LEIPZIG taz ■ Bald wird es in Deutschland flächendeckend islamischen Religionsunterricht geben. Das ist die Folge einer Entscheidung, die das Bundesverwaltungsgericht gestern getroffen hat. Die Leipziger Richter erklärten, dass auch Dachverbände wie der Zentralrat der Muslime oder der Islamrat grundsätzlich als Religionsgemeinschaft anzusehen sind. Sie können deshalb im Prinzip auch verlangen, dass Religionsunterricht nach ihren Vorgaben an deutschen Schulen eingeführt wird. Bisher hatte das Land Nordrhein-Westfalen, gegen das sich der Musterprozess richtet, die beiden Dachverbände nicht als Religionsgemeinschaften akzeptiert. Das NRW-Schulministerium argumentierte, dass die Dachverbände nicht für Glaubensinhalte zuständig und in sich heterogen seien. Sie bezweifelten, in den Dachverbänden einen angemessenen Ansprechpartner zu finden.

Der Weg zum islamischen Religionsunterricht ist denn auch noch nicht ganz frei. Zunächst müssen noch die Fachgerichte in Nordrhein-Westfalen entscheiden, ob die Verbände bereits in ihrer jetzigen Struktur die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllen. Möglicherweise müssen die Moscheevereine ein stärkeres Gewicht in den Dachverbänden erhalten. Außerdem müssen die Gericht Zweifel an der Verfassungstreue der beiden Organisationen prüfen.

Das Grundgesetz schreibt in Artikel 7 vor, dass Religionsunterricht an öffentlichen Schulen als ordentliches Lehrfach anzubieten ist. Das heißt: Das Fach ist versetzungserheblich und der Staat bezahlt die Lehrer. Die jeweilige Religionsgemeinschaft bestimmt dagegen den Lehrplan und die Lehrbücher.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kritisierten Zentralrat und Islamrat, dass die Anforderungen an eine Religionsgemeinschaft zu sehr auf christliche Kirchen zugeschnitten seien. Der Islam sehe keine Organisation vor, vielmehr gehe es um die direkte Beziehung des Menschen zu Gott. In Deutschland werde das Glaubensleben „arbeitsteilig“ zwischen den örtlichen Moscheevereinen und den Dachverbänden organisiert.

Dies hat das Gericht akzeptiert. Eine Religionsgemeinschaft könne auch als „mehrstufiger Verband“ organisiert sein, hieß es. CHRISTIAN RATH