ein tief fliegender minister und seine mehrwegflaschen von WIGLAF DROSTE :
Joseph Fischer weiß, was er an Claudia Roth hat: Die Frau ist eine intellektuell befreite Zone. Dennoch ließ Fischer zu, dass sie ihn unter einen ihrer schrecklichen Schals nahm und ihn verteidigte wie eine Blödin ihr Junges: Fertiggemacht werden solle Fischer, CDU, CSU, FDP und allerlei Medien hätten sich verschworen, sie aber werde das nicht dulden, sondern im nächsten Brigitte- oder taz-interview sehr, sehr böse werden. Mit Feinden kann Fischer fertig werden, das zeigt sein bisheriger Lebensweg. Wer aber Claudia Roth Landeerlaubnis erteilt, ist dem Ende nah.
Zumal auf ihrer Kriechspur ein weiterer Gollum wandelt: Franz Josef Wagner, der bei Springer die Rolle der nicht immer ganz sauberen Unterhose einnimmt, nannte Fischer für seine Deckungnahme in den Armen Claudia Roths in Bild „ein Weichei“ und warf sich ihm dennoch an den Hals: „Ich bin Ihr letzter Fan.“ In Welt am Sonntag legte Wagner nach: „An Joschka Fischers Leben mag ich, dass er dick und dünn ist, frauenlos und frauenvoll. Er ist ein Liftboy wie wir.“
Bisweilen ist das Leben nicht ungerecht: Fischers letzte Freunde sind ein Springer-Kolumnist, eine Schreckschraube und ein Vollgummikanzler, der Fischer stützt, solange er ohne ihn nicht wiedergewählt werden kann. Die Grünen, deren historische Bedeutung sich in Fahrradweg und Dosenpfand erschöpft, sind längst erledigt. Nun ist auch Fischer angezählt.
Dabei ist Joseph Fischer der einzige Grüne, der niemals grüne Überzeugungen verriet – er hat diese Überzeugungen schließlich nie geteilt. Als im Januar 1980 die Grünen gegründet wurden, hatte Joseph Fischer dafür nur Verachtung übrig: „Ökospießer“, seien das, „grüne Mäuse“ und – hier benutzte Fischer eine seiner Lieblingsvokabeln – „Arschlöcher“. Die aber hatten Erfolg, den wollte Fischer auch und war ab September 1982 mittenmang dabei. Er installierte den Kampfbegriff „Realpolitik“, die Grünen wurden, mehr noch als später Gerhard Schröders SPD, eine Führerpartei: Wer sich nicht unterwirft, kann gehen.
Die Erpressung funktioniert. Wer im Schlepptau des Grünenführers an der Macht partizipieren will, zahlt dafür mit den kümmerlichen Resten seiner Reputation. Nachdem sie der Entsendung deutscher Truppen nach Afghanistan zugestimmt hatte, erklärte die grüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer: „Mein Ja war eigentlich ein Nein.“
An Fischers berechtigter Verachtung für solch generaldurchlogene Existenzen hat sich nichts geändert. Warum auch? Auf eine Partei, die man in knapp zwei Jahrzehnten in das Gegenteil ihrer selbst verwandeln kann, darf man mit Recht herabsehen. In der so genannten Visa-Affäre macht Fischer allerdings keine gute Figur: Er, der sonst mit der Selbstwahrnehmung eines Weltaußenministers über den Niederungen schwebt, fliegt tief und sucht sein Heil in der Phrase – und, als gelehriger Schüler Helmut Kohls, im Schweigen und Aussitzen.
Die Grünen, noch domestizierter als die traditionell jeden Krieg mitmachende Sozialdemokratie, haben, anders als Fischer, nicht einmal Machiavelli gelesen. Sie könnten ihn stürzen und – stützen ihn. Solche Mehrwegflaschen sind das.