Und alle Fragen offen

DIE ZAPPA’SCHE KERNFRAGE Das Musik-und-Film-Festival im Babylon Mitte titelte mit der Frage „What makes music laugh?“, blieb die Antwort aber schuldig

Das Jazz- und das Jodelsegment bleiben recht unverbunden nebeneinander stehen

VON KATHARINA GRANZIN

Leider kam sie nicht persönlich. Der Flug, der die dänische Perkussionistin Marilyn Mazur nach Berlin hätte bringen sollen, sei gestrichen worden, hieß es. Das war bitter; denn wer sie am Samstagabend, dem dritten Abend des Musik-und-Film-Festivals „What makes music laugh?“ im Babylon Mitte, im Film sah, konnte danach nichts dringlicher wollen, als möglichst sofort ein Livekonzert mit ihr zu erleben. „Marilyn Mazur – Queen of Percussion“ heißt der Dokumentarfilm, den Mazurs Landsmann Christian Braad Thomsen 2006 über die Musikerin gedreht hat. Mazur wäre auf diesem Festival eine absolute Ausnahmeerscheinung gewesen, als Frau im Jazz ohnehin Vertreterin einer Minderheit, als Perkussionistin einer verschwindenden Minderheit. Viele Jahre ist sie mit Miles Davis um die Welt getourt, hat sich jedoch Anfang der Neunziger aus dieser Verpflichtung gelöst, um sich stärker eigenen Projekten zu widmen. Der Film hebt an mit der Aufnahme eines Auftritts mit ihrer Nur-Frauen-Band Percussion Paradise, gefolgt von einer wunderschönen Sequenz, worin Mazur der Kamera mit leuchtenden Augen ihre Instrumente vorstellt: die sprechende Trommel aus dem Senegal, die afrikanisch inspirierte Udu aus Norwegen, die große Steeldrum aus der Schweiz, den riesigen Gong aus Korea.

Christian Braad Thomsen immerhin ist nach Berlin gekommen, um seinen Film vorzustellen. Er habe ihn gemacht wie Godard, scherzt er zur Einführung, nämlich eine schöne Frau vor der Kamera schöne Dinge tun lassen. Im Übrigen habe er die Musikstücke bewusst nicht geschnitten. Der Film besteht im Grunde aus einem einzigen langen Interview mit Marilyn Mazur, in das Archivaufnahmen zahlreicher Liveauftritte und Fotos geschnitten sind. Mit diesem zurückhaltenden Gestaltungsprinzip ist Thomsen ein berückendes Porträt einer Person gelungen, deren positive Energie noch von der Leinwand herunter in jede Ecke des viel zu großen Kinosaals strahlt, in dem sich eine Handvoll eiserner Jazzfans verliert, während sich draußen der Rest der Welt sich bei abendlichem Outdoor-Alkoholgenuss entspannt.

Aber selbst wenn sie gekommen wäre: Was hätte die wunderbare Marilyn Mazur beitragen können, um die Frage zu beleuchten, die das Festival programmatisch im Titel trägt: „What makes music laugh?“ In dem faktenreichen Vorwort, das die Kuratorin Helma Schleif fürs Programmheft verfasst hat, ist die Rede von Satie, Haydn und Mozart, vor allem aber von Frank Zappa. „Does Humour Belong in Music?“ ist sowohl eine Zappa’sche Kernfrage als auch der Titel eines seiner Alben. Außer im Programmheft aber kommt auf dem Festival kein Zappa vor, auch kein Zappa-Film. Ebenso wenig tritt jemand auf, um Saties „Drei vertrocknete Embryos“ zu spielen – und sei es nur, um zu zeigen, dass der Humor hier hauptsächlich im Titel steckt.

Jazz wird geboten. Manchmal tatsächlich in ganz wundersamer Form wie am ersten Abend bei Vinko Globokar (Alphorn und Posaune) und Jean-Pierre Drouet, der, wie ein vergnügter Dämon über seinem elektronisch verstärkten „Schlagwerk“-Tisch hockend, diesem eine erstaunliche Bandbreite klanglicher Hervorbringungen entlockt. Das anschließend auftretende Klarinettentrio (Armand Angster, Jean-Marc Foltz und Sylvain Kassap) ist wahrscheinlich eingeladen worden, weil die Herren ihre Blasinstrumente zwischendurch mal in Wasserschüsseln tauchen, was den Klang verändert. Auch ist es, wie wir erleben, schwierig, in eine Klarinette zu blasen, wenn man dabei auf dem Rücken liegt.

In zweiter Linie wird auf dem Festival gejodelt. Doch obwohl die Jodler Annarosa Streiff und Kurt Annen an den vier Tagen nicht nur einen Jodelworkshop geben, sondern am Sonntag auch noch einen Auftritt mit der IG Blech absolvieren, bleiben das Jazz- und das Jodelsegment des Festivals insgesamt doch recht unverbunden nebeneinander stehen. Dies wurde wohl auch von den Veranstaltern selbst so gesehen, denn den Workshop-Teilnehmern wurde zwar freier Eintritt für die Jodelfilme, keineswegs aber für die Jazzfilme gewährt. Zwanglose Querverbindungen ergeben sich so natürlich nicht. Auch die Humorfrage steht am Ende weiter ungelöst im Raum.