Rudern und schwitzen

Eine ultrafette Überwältigungsshow: Die Chemical Brothers spielten gar keine Rolle beim Konzert der Chemical Brothers in der Columbiahalle. Was zählte, war einzig und allein der Sound. Und das Licht

VON ANDREAS HARTMANN

Die Bühne sieht aus wie die Kommandozentrale im Raumschiff Enterprise. Sie ist vollgepackt mit Geräten, die andauernd blinken, und von denen niemand weiß, wozu sie gut sind. Inmitten dieser Maschinenlandschaft: Tom Rowlands und Ed Simons, die sich zusammen The Chemical Brothers nennen. Doch um diese beiden Jungs geht es heute Abend gar nicht, sie halten sich dezent im Hintergrund und scheinen gar nicht beachtet werden zu wollen. Was heute Abend alleine zählt, das ist der Sound, dieser ultrafette, alles was jemals von Rock über Acid bis Hip Hop jemals popkulturelle Bedeutung hatte, aufsaugende Sound. Was heute Abend außerdem zählt, ist die Lightshow. Diese besteht nicht aus den üblichen Blitzlichtern und müdem Styroskopflackern, sondern scheint schon mal einen Vorgeschmack auf die nächste Folge von „Krieg der Sterne“ geben zu wollen. Das Ganze ist also eine einzige opulente Überwältigungsshow, wer von dem Sound alleine noch nicht genügend durchgeschüttelt wird, kapituliert angesichts der Laser und hinter der Bühne flackernden Visuals und wird so dazu gezwungen, Teil dieser extrem begeisterten Masse in der Columbiahalle zu werden.

Die Chemical Brothers existieren bereits seit elf Jahren, sie haben acht Millionen Platten verkauft, hatten Nummer-eins-Hits, haben alles erreicht, was sich im Popzirkus nur erreichen lässt. Dennoch hätte vor ihrer neuen Platte „Push The Button“ kaum noch jemand darauf wetten wollen, dass die Chemicals ihre bisherigen Erfolge sogar noch toppen könnten. Schließlich sei es vorbei mit der Raverei, heißt es überall, und Big Beat – die gefloppten Platten von Prodigy und Fatboy Slim seien Beleg genug – sei auch am Ende. Doch vielleicht funktionieren die Chemical Brothers inzwischen nach ihren eigenen Regeln, vielleicht sind sie gerade wirklich dabei, zu so etwas wie einer klassischen Band zu werden, vielleicht sind sie aber auch nur der Beleg dafür, dass die Neunziger immer noch nicht wirklich vorbei sind. Da mag man im aktuellen Popdiskurs jedenfalls noch so sehr den im Vergleich zu den Chemical Brothers ungleich raffinierteren Refererenzsound von LCD Soundsystem loben oder New Yorker Rockbands hypen, die Chemical Brothers kann man deswegen dennoch auch weiterhin gut finden. Referenzen gibt es bei ihnen auch und rocken tun sie erst recht. Nur braucht man, um das zu erkennen, kein Popdiplom. Darin liegt wohl auch das Geheimnis dieser Band begründet: Sie schließen niemanden aus. Und der Trance-Crustie auf LSD kann zu ihrer Musik genauso mit den Armen rudern wie der Bier trinkende HipHopper.

Die Chemical Brothers und ihr Konzert sind also wie ein guter Action-Film aus Hollywood: universal verständlich, teuer produziert und bestens unterhaltend. Alles ist perfekt an ihrer Show, es gibt keine Fehler und jede einzelne Nummer kommt mit einer ausgetüftelten Dramaturgie daher. Anders als ein DJ im Club muss sich diese Band die Begeisterung ihres Publikums auch nicht mühsam erarbeiten, sondern ein Chemical-Brothers- Konzert ist ein einziger langer Höhepunkt und man hat das Gefühl, schon nach der ersten Nummer nur noch verschwitzte Menschen um sich herum zu haben. Mit dem echten Leben, in dem man nicht immer nur super drauf ist, hat diese Show nichts gemeinsam, sie ist reine Illusion. Doch wäre es auf einem Chemical-Brothers-Konzert anders, wären wir natürlich enttäuscht.