: Die Wohlfahrtslüge: Arm dran
Armut stresst und macht krank in Deutschland.
345 Euro monatlich für einen arbeitslosen Alleinstehenden im Westen – das muss doch eigentlich reichen, meint die Regierung. Und tatsächlich: Niemand muss hungern in Deutschland. Also kein Problem?
Das sieht die Nationale Armutskonferenz anders, die gestern ihre „Sozialpolitische Bilanz Armut und Gesundheit“ vorstellte. Ein paar Daten aus dem Dossier: Bestimmte Karzinome wie Lungen-, Leber- oder Kehlkopfkrebs treten überdurchschnittlich oft bei Armen auf. Auch der Herzinfarkt ist heute keine Managerkrankheit mehr, sondern trifft gehäuft Menschen mit niedrigem sozialem Status. „Arbeitslosigkeit stresst“, kommentiert der Medizinprofessor Gerhard Trabert, der an der Sozialbilanz beteiligt war. Die Sterblichkeit von arbeitslosen Menschen ist um das 2,6fache höher als bei Erwerbstätigen. Sogar 20fach erhöht ist die Selbstmordrate der Arbeitslosen. „Sie fühlen sich wertlos in einer Welt, die sich nur noch über Arbeit definiert“, so Trabert.
Betroffen sind auch die Kinder der Armen: So sterben sie häufiger bei Unfällen, weil sie öfter an belebten Durchgangsstraßen wohnen. Auch werden bei ihnen häufiger Infekte, Zahnerkrankungen und psychosomatische Beschwerden festgestellt. Eine Untersuchung der Medizinischen Hochschule in Hannover ergab, dass arme Menschen etwa sieben Jahre früher sterben als ihre reicheren Mitbürger.
Durch Hartz IV dürften sich diese Ungleichheiten noch verstärken. Denn beim Arbeitslosengeld II von 345 Euro sind rechnerisch nur vier Prozent für den Posten „Gesundheitspflege“ vorgesehen. Ein Besuch beim Arzt und die Zuzahlung für ein Medikament – schon ist diese Summe mehr als aufgebraucht. Da spart man an der Gesundheit – gezwungenermaßen. UH