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Archiv-Artikel

Die Finanzierungslüge: Viel versprechen, wenig zahlen

Jede Zahl ist manipulierbar.

Heute ist ein entscheidender Tag, jedenfalls für die Kommunen und SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Heute nämlich ist der erste Stichtag der „Revisionsklausel“. Sie sichert Gemeinden und Bund zu, dass anhand konkreter Daten überprüft wird, ob die Regierung ihr Versprechen hält, via Hartz IV die Kommunen um 2,5 Milliarden Euro zu entlasten. Doch wie die Gemeinden nun erleben müssen, sind die Interpretationsfreiräume für den Wirtschaftsminister beachtlich. Zentraler Streitpunkt: Welche Daten werden überhaupt herangezogen, um die Entlastung für die Kommunen zu messen?

Die Gemeinden stellen sich die Rechnung so vor: Bei der Sozialhilfe sparen sie 9,4 Milliarden Euro, weil nun der Bund das Arbeitslosengeld II zahlt. Stattdessen müssen sie aber etwa 10,1 Milliarden Euro für Unterkunfts- und Heizungskosten aufwenden. Damit am Ende 2,5 Milliarden Euro an Entlastung herauskommen, schießt der Bund 3,2 Milliarden Euro zu.

Der Wirtschaftsminister protestiert und macht eine eigene Rechnung auf: Bei der Sozialhilfe würden die Gemeinden um weit mehr als nur 9,4 Milliarden Euro entlastet. Denn diese Zahl stammt vom Juli 2004. Bis Dezember seien die Kosten für die Sozialhilfe jedoch stark gestiegen. Außerdem, so Clement, würden die Gemeinden viel weniger für die Unterkunftskosten zahlen als vorher ausgerechnet. Ergebnis: Statt 3,2 Milliarden Euro will der Minister nur noch rund 500 Millionen Euro überweisen.

Die Kommunen sind sauer. So versteht der Landkreistag nicht, wie Clement überhaupt auf seine Zahlen kommt. 439 kommunale Träger gibt es in Deutschland, aber bisher haben überhaupt nur 239 Gemeinden verlässliche Daten an die Bundesagentur weitergeleitet. Der Rest hatte entweder nicht das richtige Computersystem oder konnte die Daten bisher nur unsortiert abliefern. Am Donnerstag haben Clement und die Kommunen den ersten Schlichtungstermin.

Das Feilschen des Wirtschaftsministers ist verständlich. Er braucht jeden Cent. Allein das Arbeitslosengeld II dürfte rund 6 Milliarden Euro mehr kosten als im Haushalt 2005 eingeplant. Clement spielt den Überraschten. Tatsächlich war dieses Defizit absehbar. Es wurde bewusst einkalkuliert. Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit hatte schon im September gewarnt, dass die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger erheblich höher ausfallen könnte als im Haushalt 2005 angenommen. Die Regierung beschloss damals, diese Warnung zu ignorieren.

ULRIKE HERRMANN