: Die fremde neue Wunderwaffe
Die Politik muss sich mit dem neuen Anti-Korruptionsgesetz noch vertraut machen. Die Gewöhnung könnte jedoch schnell gehen: Ausgerechnet die landeseigene LEG könnte zum Präzedenzfall werden
VON KLAUS JANSEN
Noch ist es ein weißes Blatt Papier. Das neue nordrhein-westfälische Korruptionsregister, gerühmt als bundesweit einzigartige Waffe gegen Schmiergeldzahlungen, ist zwei Tage nach Inkrafttreten noch nahezu leer. „Es gibt noch zehn bis zwanzig Firmen aus einer älteren Liste. Ob wir die übertragen können, wissen wir noch nicht“, sagt Norma Frentzel, Sprecherin des NRW-Finanzministeriums.
Nach langem Ringen als Reaktion auf die Korruptionsaffären um Müllbarone und reich bespendete Bürgermeister beschlossen, muss das Anti-Korruptionsgesetz erst noch geschliffen werden, um zu einer scharfen Waffe zu werden. Die Mechanismen zur Bekämpfung von Korruption sind dabei klar: Lässt sich ein Unternehmen im Zuge einer Auftragsvergabe etwas zuschulden kommen oder betätigen sich leitende Mitarbeiter in Sachen Geldwäsche, Subventionsbetrug, Untreue oder illegaler Absprachen, muss die Firma auf die schwarze Liste. Angezeigt werden können Verstöße aber nicht durch die Staatsanwaltschaft, sondern lediglich von Aufsichtsbehörden, Vergabestellen oder Rechnungsprüfern.
Bei der Vergabe künftiger Aufträge aus der öffentlichen Hand müssen Kommunen dann eine Anfrage an das NRW-Finanzministerium stellen, dass die Liste verwaltet. Steht eine Firma auf der Liste, dann sollte sie den Auftrag nicht bekommen – bindend ausgeschlossen wird sie allerdings nicht.
Einen ersten Präzedenzfall für die Anwendung des Korruptionsregisters bietet nun ausgerechnet die landeseigene Immobilienfirma LEG. Laut und wortreich fordert die Opposition in dieser Woche, dass das gleich in drei verschiedenen Tatkomplexen unter Korruptionsverdacht stehende Unternehmen in die schwarze Liste eingetragen wird.
Aufsichtsratschef Manfred Morgenstern beteuert zwar, dass das neue Gesetz im Fall LEG nicht greife – das Paragraphendickicht widerspricht ihm aber. Schon im Fall eines dringenden Verdachts, also vor Anklageerhebung, kann nämlich ein Unternehmen aufgenommen werden. Das gilt ebenfalls für die LEG, auch wenn Bestechung dort offenbar nicht an konkrete Auftragsvergabeverfahren gebunden war. „Erfasst werden alle Firmen, die – in welchem Bereich der Korruption auch immer – auffällig geworden sind“, sagt Angelika Flader, Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Als Aufsichtsbehörde melden müsste die LEG nach Angaben Fladers pikanterweise ausgerechnet das NRW-Städtebauministerium, dessen Staatssekretär Morgenstern wegen seiner Informationspolitik ohnehin in der Kritik steht.
Doch nicht nur das Register, auch die im Gesetz vorgesehene Auskunftspflicht von kommunalen Mandatsträgern ist für die Politik offenbar noch gewöhnungsbedürftig. „Es ist schon schwierig, wenn man sich als Träger eines Ehrenamts komplett ausziehen muss“, sagt Christian Strasen, Sprecher der Stadt Hamm. „Wen geht es an, ob Ratsherr soundso lieber Badminton oder Tischtennis spielt.“ Wenn man künftig jede Mitgliedschaft in Vereinen veröffentlichen müsse, sei Spekulationen über Interessenkonflikten etwa beim Ausbau von Fußballstadien Tür und Tor geöffnet, so Strasen. Auch Michael Becker vom Städte- und Gemeindebund NRW räumt ein, „dass sich der eine oder andere noch schwer tut“.
Die Macher des Gesetzes weisen die Kritik jedoch zurück: „Eine Veröffentlichung ist doch nichts ehrenrühriges“, sagt Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der Grünen. Und Ministeriumssprecherin Flader stellt klar, „dass es an dem Gesetz nicht mehr viel zu diskutieren“ gebe. Anlaufschwierigkeiten seien „normal“.