: Windige Gemeinplätze
FORTSCHRITT FÜR FORTSCHRITT Nach Twitter kommt jetzt etwas ganz, ganz Neues – noch schneller, noch kürzer, noch verwehter: o-fart
Die Evolution im Web ist nicht aufzuhalten. Während der Nachrichtenzwitscherer Twitter nur noch von ruhestandsnahen Anzeigenblatt-Kulturjournalisten für das kommende heiße Ding „im Netz“ gehalten wird, ist die Info-Elite schon längst zum nächsten Kommunikationstrend weitergezogen. O-fart (zu Deutsch etwa: Online-Furz) heißt der neueste Schrei. Das Revolutionäre an dem Kurzmitteilungstool: In nur fünf Zeichen kann man befreundeten Nutzern – „smellows“ genannt – überall und jederzeit seine aktuelle Befindlichkeit mitteilen. Bei seinem angestaubten Vorgänger Twitter (140 Zeichen!) hatten sich viele Nutzer oft schon bei der Hälfte einer Nachricht müde gelesen. Kein Wunder also, dass die meisten Mover und Shaker der Nation völlig auf o-fart abfahren. Hier wird nur abgesendet, was wirklich rausmuss.
Auch Angela Merkel zählt bereits zu den regelmäßigen Nutzern und weiß die neue Technik geschickt zu nutzen. Am Tag der Europawahl sendete die Kanzlerin kurz nach den ersten Hochrechnungen ein listiges „fwWHO“ (Frank-WalterWER?) an ihre smellows. Ein gelungener Seitenhieb gegen den SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier. Die Online-Gefolgschaft der Kanzlerin klopfte sich triumphierend auf die Schenkel. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle, ebenfalls exzessiver o-fart-Nutzer, windete am Wahltag stündlich ein vergnügtes „Grins“ in die Welt.
Zu den Männern der ersten Stunde bei o-fart zählt selbstverständlich auch Spiegel-Kulturjournalist Matthias Matussek. Der Trendflaneur schwärmt bereits von einer „neuen dadaistischen Form der Kommunikation“ und erklärt sich zum absoluten o-fart-Junkie. Schon kurz nachdem morgens sein Wecker klingelt, muss er ein allererstes „Gaehn“ an seine internationale smellow-Clique rauslassen.
Doch noch sind viele unerfahrene Nutzer mit der knappen Kommunikationsform überfordert. Das führt gelegentlich zu Verständigungsschwierigkeiten. Etwa wenn schlecht gewählte Abkürzungen zu viel Interpretationsspielraum lassen. So verwirrte eine Neu-Farterin ihre zwölfjährige Tochter mit dem fart „BbSKM“ (Bin beim Sport Kuß Mutti). Die Tochter hatte keine Ahnung, was ihre Mutter wollte. Erst auf ihre Nachfrage („Häh?!“) konnte die Situation geklärt werden. Trotz solcher kleinen Schwierigkeiten sind nicht wenige Kulturforscher überzeugt, dass o-fart unsere Art zu kommunizieren grundlegend verändern wird. „o-fart bläst alles überflüssige davon und verdichtet auf atemberaubende Weise persönliche Informationen“, schwärmt der Sprachhistoriker Ryan O’Weilly von der University of Blymthon upper Fork.
Einen ersten journalistischen Scoop darf sich o-fart schon auf die Fahne schreiben. Die Nachricht, dass Boris Becker von seiner erst kürzlich geehelichten Freundin Lilly Kerssenberg wieder verlassen worden ist, konnten o-fart-Nutzer zuerst lesen –in Fastechtzeit. Es war nämlich die schöne Niederländerin höchstpersönlich, die am Montag kess „ByeBB“ an Becker selbst und all ihre anderen smellows windete.
MANUEL KRONS