: Eine Frage der Mentalität
Desaströs wie die wirtschaftliche Lage in Mecklenburg-Vorpommern ist auch die sportliche des Fußballvereins Hansa Rostock: Vielleicht hätte man mit neuem Selbstverständnis bessere Chancen
von Benno Schirrmeister
Fighten bis zum Schluss? Ach was. Die Hoffnung ist schon längst beerdigt und begraben. Dafür hätte es nicht einmal der Statistik-Reform via Hartz-Gesetz bedurft. Mit einer Quote von 23,6 Prozent Arbeitslosen steht Mecklenburg-Vorpommern schlechter da als die übrigen ostdeutschen Länder. Und so gibt’s von Wirtschaftsminister Helmut Holter (PDS) depressive Geständnisse: Der Schweriner Volkszeitung erklärt er, dass man „einfach nicht ins positive Saldo“ komme, sich in einem „Teufelskreis“ befinde.
Gleichzeitig gilt der Abstieg des Fußballclubs Hansa Rostock besiegelte Sache. Seit Oktober sieglos, probierte der Verein gestern wenigstens vor dem Sportgericht noch Punkte zu machen. Anfang der Woche war man bereits aus dem Pokal ausgeschieden: Schon wieder ein glückloser Versuch, ins positive Saldo zu kommen: Ab in den Teufelskreis.
Der Absturz des einzigen in der ersten Liga verbliebenen Clubs aus der ehemaligen DDR vollzieht sich aber auch auf ganz anderen Spielfeldern. So ist neben mehreren Ex-Akteuren auch Stammspieler René Rydlewicz in den Rostocker Rotlicht-Skandal verwickelt, der Mitte Februar bundesweit Wellen schlug.
Als erste Informationen darüber durchsickerten, reagierte der Club hektisch: Rydlewicz wurde mit fadenscheiniger Begründung suspendiert. Mittlerweile heißt es, dass er erpresst wurde – mit einem Video pornografischen Inhalts. 20.000 Euro soll er an die Menschenhändler gezahlt haben. Er darf schon wieder mittrainieren. Schließlich ist er ja – ein Opfer.
Rydlewicz ist wichtig fürs Image: Im offiziellen Spieler-Porträt lässt ihn die Presseabteilung des Vereins ewige Treue geloben, übers nahe Karriere-Ende hinaus. Das hat Gründe. Denn mit dem „Jungen aus der Lausitz“, dessen erste Karrierestationen Chemie Döbern, Energie Cottbus und Dynamo Berlin hießen, lässt sich das Ost-Profil schärfen. Das pflegen auch Politiker gerne. „Der Verein“, hatte Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) im Januar über Hansa gesagt , „ist wichtig für das Selbstbewusstsein aller Ostdeutschen.“
Heute dürfte er sich den Satz wohl verkneifen: Halb- und Unterwelt-Kontakte, das kommt nicht so gut, wenn man von wichtigen Faktoren fürs Ego spricht. Schlau war die Phrase aber auch zuvor nicht – weil sie eine mentale Ost-West-Grenze zementiert, obwohl sich doch andere Identitäts-Modelle anbieten. Da, wo Stimmungen gelebt werden, hat man das längst verstanden: „Wir sehen uns als Norddeutsche“, sagt Sebastian Eggert vom Fan-Club Suptras. Mit der Ost-Club-Gallionsfigur Rydlewicz hatte man ohnehin schon längst abgeschlossen. Sein Lebenswandel spielt dabei keine Rolle. „Der kann“, so Eggert, „ von mir aus jeden Tag in den Puff gehen, wenn er denn seine Leistung bringen würde.“ Aber da hat’s in dieser Saison gehapert. Hoch im Kurs stünden bei den Fans eben „Leute die sich den Arsch aufreißen.“ Depressionen? Gibt’s nicht. „Das vorherrschende Gefühl ist ein Jetzt erst recht.“ Beim nächsten Auswärtsspiel wollen die Fans „Hannover mal aufzeigen, wie echte Seemänner auszusehen haben“ und in maritimem Outfit auftreten. Norddeutsch eben. Das motiviert.
Die Regierung in Schwerin setzt hingegen auf andere Strategien. So will der Wirtschaftsminister 15 Jahre Aufbau Ost bilanzieren und daraus „Schlussfolgerungen für einen Neustart ziehen“. Und auch die Gründe fürs Scheitern aller seiner Bemühungen hat Holter bereits ausgemacht: „der ehrliche Wille fehlt“, unterstellt der PDS-Mann seinen potenziellen Nicht-Unterstützern. Gut wenn man sich von vornherein als benachteiligter Ossi versteht.