: Mit Adorno gegen Mia
Die Band „Mia“ stellte im Modernes ihre neue Platte „Stille Post“ vor – begleitet von 50 GegendemonstrantInnen und lauter Elektromusik
bremen taz ■ „Es ist ganz schön kalt da draußen. Lasst uns näher zusammenrücken, um uns zu wärmen.“ Mit diesen Worten betritt die Mia-Frontfrau mit dem Künstlernamen Mieze am Mittwochabend die Bühne des Modernes. Draußen ist es wirklich kalt – und doch harrten rund 50 GegendemonstrantInnen aus, bei lauter Elektromusik zum Einheizen. „Wider die neue deutsche Volksmusik“ – so hatten die Protestler zur Kundgebung gegen die Popband Mia aus Berlin aufgerufen. Ein Transparent zeigt, was sie vom heutigen Konzert halten: „Deutschland hört sich Scheiße an.“
Um diese Aussage zu untermauern, fordert ein Sprecher des Comité Rosé – das hatte zu der Gegendemo aufgerufen – die BesucherInnen dazu auf, ihre Eintrittskarten gegen die „Dialektik der Aufklärung“ von Adorno einzutauschen. Die lange Schlange der unter 30-jährigen Mia-Fans vor der Kasse lässt sich jedoch nicht beeindrucken. „Ich weiß gar nicht, was die wollen“, sagt eine Mia-Freundin. Vom Philosophen Adorno hat sie auch noch nie gehört. „Lasst uns die nächsten zwei Stunden Spaß und Freude zusammen haben“, ruft wenig später in der brechend vollen Konzerthalle „Mieze“ ins Publikum.
Im Pop-Look der achtziger Jahre, mit silbernen Ballerinaschühchen und rosa Kleid – wie viele ihrer Fans – steht sie da. Das umstrittene schwarz-rot-goldene Outfit hat sie schon lange abgelegt. „Die machen doch tolle Musik“, schwärmt ein männlicher Fan. Von nationalistischem Gedankengut will er bei „Mia“ noch nichts bemerkt haben. „Ich bin auf diversen Mia-Konzerten gewesen. Nationalistisch würd’ ich die nicht bezeichnen. Eher als harmlos naiv“, sagt ein anderer Fan. „Es ist doch schön, toller Pop“, wippt er zu der eingängigen Musik.
„Reicht mir die Hände“, schmalzt derweil Mieze vorne. „Die Mädchen und die Jungs.“ Die Fans heben brav und nach Geschlechtern getrennt die Hände in die Höhe und schwingen die Hüften zum Takt. Ausgelassene Stimmung – kein bisschen getrübt von den Anschuldigungen gegen ihre Band. Und noch singt Mieze ja auch nicht von „Ein Schluck vom schwarzen Kaffee macht mich wach / dein roter Mund berührt mich sacht / in diesem Augenblick es klickt / geht die gelbe Sonne auf“. „Wenn Patriotismus auf Poesie stößt, lappt das Ergebnis oft leicht ins Lächerliche. Das ist bei Mias schwarz-rot-goldener Liebeserklärung an die deutsche Friedensnation nicht anders“, hat die Promotion-Agentur Meistersinger Stellung genommen zu den Vorwürfen gegen die Band. Aber sie stärkt ihrer Kundin „Mia“ den Rücken: „Auf die Entwicklung einer im Kern friedfertigen Zivilgesellschaft kann man zu Recht stolz sein.“ Allerdings räumt sie auch ein: „Das ist tatsächlich Geschmackssache.“
Martina Möller