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Archiv-Artikel

Anti-Helden in Vollendung

HEIMATFILM Die heute anlaufende Komödie „Madboy“ des Hamburger Regisseurs Henna Peschel erzählt die Geschichte eines Jungbauern, der in Wilhelmsburg als Punkrock-Musiker durchstarten will. Gedreht wurde ohne Geld – entstanden ist ein großer Spaß

Die Charaktere sind grotesk und gleichzeitig geerdet

VON KLAUS IRLER

Schäffke ist Jungbauer auf dem norddeutschen Land, Jungbauer und Frontman der Punk-Band Madboy. Mit der will er groß rauskommen und geht nach Hamburg. Vorher aber trifft er seinen Bruder auf dem Hof. „Wenn du jetzt abhaust“, sagt Schäffkes Bruder, „dann mache ich aus deinem Zimmer wieder einen Kuhstall“. Schäffke ist in einem umgebauten Kuhstall aufgewachsen. Er hat von Anfang an keine Chance.

Schäffke ist die Hauptfigur in „Madboy“, dem neuen Film von Henna Peschel. Der hat 1990 mit 23 Jahren begonnen, die „Rollo Aller“-Kurzfilme zu drehen. „Rollo Aller“ war ein trashiges No-Budget-Projekt, Rocko Schamoni spielte mit und gedreht wurde auf Super 8. Seitdem werden die „Rollo Aller“ Fans nicht weniger, sondern mehr – dank Youtube.

„Madboy“ ist wieder ein No-Budget-Projekt, Rocko Schamoni ist nicht mehr dabei und Henna Peschel ist mittlerweile Anfang 40. Seine Hauptfigur Schäffke schickt er nach Hamburg-Wilhelmsburg in die Atelier-Wohnung eines kleinkriminellen Künstlers (Jakobus Siebels) und einer abgründigen BWL-Studentin (Nina Schwabe). Es ist ein debiles Trio, das verstrickt wird in den Konflikt zweier Familienclans. Die beiden Clans bekriegen sich wegen eines Überfalls auf einen Geldtransporter.

Die Geschichte ist krude, die Charaktere sind es auch. Es gibt nur Anti-Helden in diesem Film und das Anti-Heldentum wird verstärkt durch die trashigen Schauspielkünste der (Laien-) Darsteller und durch die trashige Bildsprache – gedreht habe er mit einer kleinen digitalen Handkamera, sagt Regisseur, Kameramann und Drehbuchautor Peschel.

Alles in und an „Madboy“ ist lausig und das ergibt insgesamt eine ganz und gar stimmige, extrem charmante Komposition des Lächerlichen – sehr gut gemacht, sehr fantasievoll und vor allem versehen mit einem sehr bösen, trockenen Humor.

„Madboy“ ist komisch aufgrund seines Wortwitzes. Es gibt Wortschöpfungen, die wirken, als hätte Heinz Strunk am Drehbuch mitgeschrieben. Außerdem gibt es grandiose szenische Einfälle, einen Nahkampf mit Gurken und Kürbissen beispielsweise oder eine Balletteinlage von Schäffke zur Independent-Low-Fi-Musik seines genervten Gastgebers. Und es gibt diese schrägen Charaktere, ins Groteske überzogen und gleichzeitig auf eine überzeugende Art geerdet.

Die Qualität der Charaktere hat vor allem mit der Besetzung zu tun. Zwar spielt die Hauptrolle mit Hector Kirschtal ein professioneller Schauspieler, aber das ist nicht so schlimm. Denn Kirschtal ist von vielen Laien umgeben. Und Regisseur Peschel ging das Projekt durchweg anarchisch an: Die Texte verteilte er wenige Minuten vor Drehbeginn, ein durchdekliniertes Konzept gab es nicht, niemand bekam Geld und alle kannten sich nicht aus der Branche, sondern aus dem Leben.

Zusammen gekommen ist so ein wilder Mix aus Künstlern und Nicht-Künstlern. Mit dabei sind beispielsweise Jakobus Siebels von der Band „Ja König Ja“, der Schlagzeuger Ente Schulz, die Schauspielerin Nina Schwabe und diverse namentlich schwer zuzuordnende Türsteher, Kick-Boxer, Autoliebhaber und Gemüsehändler.

Peschel hat keinen Verleih für den Film, er wird statt dessen persönlich bei den Kinos vorsprechen. Zunächst läuft „Madboy“ in Hamburg, Berlin, Köln und im Allgäu. Für weiteres hofft Peschel auf Mundpropaganda. Denn auch ein Werbebudget gibt es nicht.

Ab heute im Abaton und im 3001 Kino in Hamburg